Elftes Kapitel -
https://bodhie.eu/tonZorn (1,5)
„Zorn: Heftiger Unwille. aufwallender Ärger.“ Wahrig: Deutsches Wörterbuch
Der Mensch auf dem chronischen Emotionsniveau „Zorn“ ist ständig schlechter
Laune. Unentwegt wütet, tobt, rast, tadelt und klagt er. Wer kennt nicht den
schrulligen Nachbarn, der Kinder beim Ballspiel stört und sie von einer verlassenen
Baustelle jagt. Oder den ungeduldigen Autofahrer, der sofort nach dem Wechsel der
Verkehrsampel von Rot auf Grün wie ein Irrer zu hupen anfängt und ordinäre Worte
aus dem Fenster brüllt. Oder den tyrannischen Vater, der sein Kind ausschimpft und
demütigt. Oder den Chef, der die ganze Belegschaft in Angst und Schrecken versetzt.
Oder den Ehemann, der seine Frau verprügelt.
Dem ewig Zornigen kommt es darauf an, die Dinge zu „stoppen“. Wenn er
nicht gerade überkocht in seiner Raserei, dann brodelt er doch. Sein Gefühlsbereich
dehnt sich vom aufwallenden Ärger über offen gezeigten Zorn bis zum tobsüchtigen
Wüten aus.
„Ich habe immer Recht.“Ein solcher Mensch setzt Ihnen klipp und klar auseinander, was anderswo
nicht in Ordnung sei. Das ist aber auch alles, was er Ihnen mitzuteilen hat. Sie sind
im Unrecht, alle sind im Unrecht, nichts ist im Schuss. Das einzige, was er niemals
sagt, ist: „Ich bin im Unrecht.“ Denn er hat immer recht, selbst dann, wenn er unrecht
hat. Versuchen Sie gar nicht, ihn durch Tatsachen zu verwirren. Ihn beeindruckt nämlich gar nichts.
Nicht nur die Leute auf dieser Stufe bemühen sich, das Unrecht bei andern zu
suchen (alle Personen auf den Emotionsniveaus unter 2,0 tun dies auf die eine oder
andere Weise), aber die 1,5er gehen dabei sehr direkt vor.
Bei derartigen Leuten wissen Sie wenigstens gleich, woran Sie sind. Sie haben
grundsätzlich und ein für allemal Unrecht. Allein schon Ihr Vorhandensein wirkt
auf den 1,5er wie das rote Tuch auf den Stier.
Verdrehte TatsachenHaben Sie jemals einen zornigen Mann die Wahrheit sagen hören? Ich habe
mir einmal ausgedacht, wie wohl ein Disput zwischen Mann und Frau entstehen
könnte, wenn beide bei der Wahrheit blieben. Gewöhnlich geht ein häuslicher Streit
etwa folgendermaßen vor sich: Er: „Wann wirst du endlich lernen, anständig zu kochen?
Dieser Fraß ist ja wieder einmal entsetzlich.“ Sie: „Immer hast du etwas an
meiner Kocherei auszusetzen. Du lobst mich nie für all die Arbeit, die ich mir deinetwegen mache.
“ Er: „Sicher tue ich das. Ich sage dir so oft, dass du eine gute Hausfrau
bist.“ Sie: „Nein, das tust du eben nicht. Du liebst mich ja noch nicht einmal.“
(Sie verlässt den Raum und knallt die Tür hinter sich zu.) Er: „Mein Gott, diese Frauen!
Sie sind einfach unmöglich!“
Wollte man die Verallgemeinerungen durch Tatsachen ersetzen, dann hörte
sich das Ganze anders an:
Er: „Die Soße ist aber ein bisschen dünn heute Abend.“ Sie: „Das ist das fünfzigste
Mal, dass du mein Kochen kritisierst. Zum hundertachtundsiebzigsten Mal
während unserer Ehe hast du mir bewiesen, wie wenig du meine Bemühungen zu
würdigen weißt.“ Er: „Das stimmt. Aber ich habe dir dreihundertachtundsiebzig Mal
Komplimente gemacht.“ Sie: „Nach meiner Rechnung waren davon aber bloß dreihundertvierzehn
echte Komplimente und siebenundfünfzig eine Art stillschweigender
Billigung. Die restlichen sieben Komplimente waren keine Schmeicheleien für mich.
Daraus schließe ich, dass du mich nicht liebst.“ (Sie geht ab.) Er: „Diese Frau! Dreiundvierzigtausendzweihundertund-
siebenundachtzig Mal war es mir nicht möglich,
sie zu begreifen und mich vernünftig mit ihr zu unterhalten.“
Ein Streit, bei dem nicht ein wenig geschwindelt wird, ist kein richtiger Streit:
Ihm fehlt die Würze.
„Ich bin wer“Sein allzu stark ausgeprägter Egoismus und seine Aggressivität verschaffen
dem 1,5er häufig einen Chefposten. Er macht den Eindruck, ein Mann der Tat zu
sein. Tatsächlich aber wirbelt er lediglich Staub auf – viel Lärm um nichts also. Wenn
sich der Staub wieder gelegt hat, stellt man fest, wie wenig der Mann doch im Grunde
zustande gebracht hat.
Da sein aufbrausendes Temperament sich erst in brenzligen Situationen so
recht austoben kann, führt er nicht selten solche Zustände herbei. Er weiß übrigens
genau, wie man mit seinen Mitmenschen umzugehen hat: „Schnauzt sie an! Ich sage
euch: Schießt sie alle einfach ab! Man muss hart sein, wenn man in dieser Welt vorankommen
will."
Unbedingter GehorsamDer zornige Mensch besteht auf Gehorsam. Ich habe einmal in einer Firma
gearbeitet, deren Besitzer sich auf der Stufe 1,5 befand. Er war ein fanatischer „Saubermacher“
und „Ordnungshüter“. Wenn er in unserer Zweigstelle erwartet wurde,
sauste das Personal atemlos herum, damit der Laden ja auf Hochglanz poliert war.
Bei einem dieser Kontrollbesuche marschierte der große Boss durch die Flure. blickte
in alle Büros hinein und kam zuletzt in das Zimmer des Verkaufsleiters. Auf dessen
Schreibtisch lag ein Hut. Sofort bekam der Chef einen Tobsuchtsanfall und
schrie: „Was ist denn mit diesen Idioten eigentlich los? Was glauben die, wofür wir
Garderoben haben?“ Und immer noch brüllend nahm er den Hut, riss das Fenster
auf und schleuderte die ihn störende Kopfbedeckung aus dem einundzwanzigsten
Stockwerk ins Freie. Just in dem Moment, als der Verkaufsleiter mit einem der wichtigsten
Kunden des Unternehmens zurückkehrte, wurde der Hut eben dieses Kunden
vom Wind erwischt und segelte nun wie ein Drachen über die Dächer von Detroit.
Natürlich war dieser Kunde zum letzten Mal da gewesen.
Schwierige GeschäfteSchöpferische Menschen auf hohem Emotionsniveau wollen nicht für einen
1,5er arbeiten. Denn Zorn drückt sie auf der Skala nach unten und beraubt sie ihrer
besten geistigen Kräfte. Außer seiner Forderung nach Gehorsam bedient sich der
1,5er allerlei Drohungen, Bestrafungen, Lügen, um unangefochten „herrschen“ zu
können. Er gibt unklare und unvollständige Anweisungen. Ist der Auftrag schließlich
erledigt, kritisiert und nörgelt er: „Ich habe nicht gesagt, dass Sie das so machen sollen.“
Ein Freund berichtete mir, wie er seinem Chef etwas vorführte, worauf dieser
Mensch -gleichfalls einer auf der Stufe 1,5 – lediglich zu meckern wusste: „Das ist
falsch von vorn bis hinten. Ändern Sie es gefälligst.“ Nachdem mein Freund die Änderungen
vorgenommen hatte, legte er die Unterlagen abermals zur Genehmigung
vor. Diesmal schrie sein Chef: „Woher, zum Teufel, haben Sie denn diese verrückten Ideen?“
Der 1,5er wird im Geschäftsleben nie Verantwortung auf Untergebene übertragen.
Er will die Kontrolle über alles in eigenen Händen halten, was ihn freilich nicht
daran hindert, in einem fort zu jammern, keiner in der ganzen Bude bringe etwas zustande
und er müsse alles allein machen.
Durch diese ständigen Drohungen und den Mangel an klaren Anweisungen
werden Menschen, die einem 1 ,5er ausgeliefert sind, über kurz oder lang konfus.
Sie verlieren ihr Selbstvertrauen, und damit sinkt natürlich auch ihre Leistung. Man
setzt sie so oft ins Unrecht, dass die meisten von ihnen mit der Zeit auf die Gefühlsstufen
Furcht, Gram oder Apathie abrutschen. Sie können von Glück reden, wenn sie noch bei 1,1 landen. :
Der immer zornige Mensch ist geradezu von dem Verlangen besessen, andere
am Vorwärtskommen zu hindern. Eltern dieses Gefühlsbereichs fahren ihre Kinder
beispielsweise an: „Hör auf zu rennen!“ „Lass das sein.“ Der 1,5er will seine Mitmenschen
auf die Stufe der Apathie herunterdrücken. Ist ihm dies gelungen, dann bringt
er die Dinge dadurch in „Ordnung“, indem er blinden Gehorsam fordert.
Ich kannte einen Chef, der seine Angestellten immerzu auf Trab brachte.
(„Los! Los! Mehr Bewegung!“) Die Folge dieser Schinderei war, dass die Leute nervös
und geschäftig wurden, letzten Endes aber weniger arbeiteten, was ganz natürlich war,
denn der Chef hatte ihnen die Ruhe zur inneren Sammlung genommen. Als
dieser Antreiber einmal vier Wochen nicht im Betrieb war, änderte sich das Klima
schlagartig. Die Angestellten waren pünktlich, liebenswürdig, entspannt und leisteten
das Doppelte.
Die Lust am ZerstörenWer Mord und Totschlag plant und Revolutionen schürt, gehört dem Gefühlsbereich
1,5er an. Er wird das Land retten (indem er es zerstört). Er ist außerstande,
sich einen konstruktiven Plan anzuhören -es sei denn, er sieht darin eine Chance,
ihn ins Gegenteil umzukehren, wodurch er destruktiv wird. Auf dieser Ebene finden
wir die Kriegshetzer und die Diktatoren. Der 1,5er verbreitet Schreckensnachrichten
und unterschlägt im Allgemeinen erfreuliche Neuigkeiten. Er zieht es vor, Unruhe zu
stiften. Er behauptete, man stehe vor dem Chaos und nur das Chaos könne vor dem
Chaos retten. Sie werden sagen, dies sei Wahnsinn, und das ist es auch.
Ich habe einmal in einer Underground-Zeitung einen Artikel über den „Frieden“
gelesen. Darin hieß es: „Wir werden den Krieg beenden, selbst wenn wir dafür kämpfen
müssen.“ Der 1,5er wird jede Ethik zu vernichten suchen (was übrigens jeder
Mensch möchte, der auf niedrigen Emotionsebenen behaust ist). Er ist durch und
durch unehrlich. In einer andern Underground-Zeitung, die von so genannten Anarchisten
herausgegeben wurde, las ich: „Schon viel zu lange werden die Brüder und
Schwestern dieser Gemeinde beklaut. Die kriminellen Elemente sind zu einer Horde
tollwütiger Hunde geworden. Nach Belieben lochen sie unsere Leute ein und quälen
sie. Es wird Zeit, dass wir uns zusammentun, damit unsere Kultur ein wenig „Polizeischutz“
bekommt. Mit andern Worten: Wir brauchen Schutz vor der Polizei (diesen
Schweinen). Der LSD-Trip bietet eine Möglichkeit, dies zu bewerkstelligen. Zunächst
müssen wir jede uns nahe stehende Gruppe bewaffnen und ausbilden. Der Karabiner
M-1 ist die ideale Waffe für Situationen, in denen wir uns bald befinden werden.“
Weiter wurden regelmäßige Schießübungen und Unterricht im Gewehrreinigen vorgeschlagen.
Der Artikel schloss mit einem „Marktbericht über Drogen“. Darin wurden
die Preise und die Qualität der verschiedenen Rauschgifte genannt, welche gegenwärtig
auf dem lokalen Markt zu haben waren.
Unter einer typischen 1,5-Führung würde diese Gruppe den Feind (also die
reguläre Polizei) mit Waffen vernichten und ihre eigenen Anhänger durch Drogen
allmählich aus dem Verkehr ziehen. Die Menschen lassen sich nun einmal stets von
solchen führen (und verführen), die auf der Skala eine Stufe höher stehen. Gutgläubige
Seelen des "Furcht“-Bereichs können nur allzu leicht von einem 1 ,5er beeinflusst
und zu Aktionen überredet werden.
Sinn für HumorSein Sinn für Humor (falls man diese Bezeichnung überhaupt verwenden darf)
erschöpft sich in einem boshaften Lachen über das Missgeschick anderer.
Wenn einer stürzt und sich dabei das Genick bricht, wird der Mensch auf 1,5 dies so ergötzlich
finden, dass er sich fast totlacht. Sein eigentliches „Vergnügen“ hat er dann,
wenn er seinem Zorn freien Lauf lassen kann. Er liebt es, den „gefährlichen Mann“ zu
spielen. Genüsslich schildert er, wie diesen oder jenen einmal „so richtig zusammengestaucht“
oder ihm „die Fresse poliert“ hat.
Auf dieser Stufe treffen wir absolut vernunftwidrige Tapferkeit an. Es macht
derartigen Leuten Spaß, hohe Risiken einzugehen, vor allem dann, wenn sie dabei
andere Leute oder Gegenstände zerstören können. Viele Kriegshelden (nicht alle)
haben nichts anderes eingesetzt als die trotzige Herausforderung des 1,5ers. Mit
wahrer Tapferkeit hat das nichts zu tun. Tollkühnheit erweckt indessen Ehrfurcht bei
Leuten mit niedrigerem Emotionsniveau.
Falls Sie in einem Wutanfall jemals einen Teller auf den Fußboden geknallt
oder eine Tür ins Schloss geworfen und dabei große Befriedigung gefunden haben,
dann werden Sie diese Gefühlsregion verstehen. Wut ist am oberen Ende der Skala
bei 1,5 angesiedelt. Wenn ein Mensch hier für immer verharrt, findet er sein helles
Vergnügen am Zertrümmern von heilen Dingen.
„Ich besitze Menschen“Da ihn die Ansichten anderer Leute wenig interessieren (falls sie ihn nicht in
den seinen bestärken), beendet er Gespräche abrupt oder hört einfach nicht länger
zu. Hat er sich einmal entschieden, dass Sie nicht der sein sollten, der Sie sind, oder
nicht das tun dürften, was Sie tun, dann wehrt er jede Entschuldigung oder Erklärung barsch ab.
Als ich noch für die Firma arbeitete, die ich schon erwähnt habe (deren Besitzer
ein 1,5er war), erfuhr ich diese Geschichte über einen unserer jungen Ingenieure:
Er hatte sich Urlaub genommen, war jedoch noch einmal ins Büro gekommen, um
sein Gehalt abzuholen. Da er nicht wusste, dass sich der Chef gerade bei uns aufhielt,
trug er eine legere Hose und ein buntes Hemd. Beim Verlassen des Fahrstuhls
lief er dem Boss in die Arme. Mit einem finsteren Blick auf die lässige Kleidung knurrte
er: „Sagen Sie mal, junger Mann, arbeiten Sie für mich?“ Geistesgegenwärtig antwortete
der Ingenieur wie aus der Pistole geschossen: „Nein. Ich glaube, ich habe
mich in der Etage geirrt.“ Und damit wandte er sich rasch um und verschwand im Treppenhaus.
Ein typischer Fall: Der 1,5er glaubt nur allzu gern, er „besäße“ die Menschen zum Eigentum.
InformationenWenn Sie einen solchen Menschen bitten, eine Bestellung auszurichten, dann
sollten Sie wissen, dass er mitnichten das ausrichtet, was Sie ihm gesagt haben. Er
suchen Sie etwa einen 1 ,5er, er möchte doch den Hausmeister auffordern, die Fenster
zu putzen, wird er dies sogleich als Drohung weitergeben: „Lieber Mann, da sitzen
Sie ja ganz schön in der Tinte. Wenn Sie nicht sofort die Fenster im vorderen
Büro saubermachen, fliegen Sie raus!“
Die eigene HabeDa derartige Typen scharf darauf sind, Menschen oder Gegenstände zu besitzen,
werden sie notfalls sogar ihre eigene Habe zerstören, wenn sie bedroht wird.
Versucht man, einem Kind sein Spielzeug abzunehmen, dann schreit es: „das gehört
mir!“ Ein zorniges Kind wird oft eher seine Spielsachen kaputtmachen, als sie mit
andern teilen. Keine Drohung nützt dann etwas. Die Devise solcher Menschen lautet:
Entweder gehört alles mir, oder ich lasse es vor die Hunde gehen. Jedenfalls soll
kein anderer Hand an meinen Kram legen.
Die unerbittlichen ElternZu diesem Emotionsniveau zählt der Vater, dessen Erziehungsmethoden noch
aus den Tagen unserer seligen Urgroßväter stammen: Er herrscht mit „eiserner
Hand“. Lärm, Unordnung, Spielen verärgern ihn so, dass er sein Kind brutal behandelt.
Er schreckt auch vor schwerer körperlicher Züchtigung nicht zurück. Selbstverständlich
tut er dies „zum Besten“ seines Kindes: Er will ja schließlich einen „Musterknaben“
vorzeigen können. (Wenn Eltern auf der Stufe des Zorns es nicht wagen,
andern ihre Gefühle zu offenbaren, lassen sie ihre Wut häufig an ihren Kindern aus,
denn ein „Ventil“ müssen sie ja haben.)
Ich habe miterlebt, wie eine ganze Familie durch die Herrschsucht eines
1,5ers zur Heimtücke getrieben wurde. Der Vater war davon überzeugt, dass jedes
Kind den Tag mit einer großen Schüssel Haferflocken zu beginnen habe. Wenngleich
seine vier Jungen das Zeug bald nicht mehr sehen konnten, blieb er doch unerbittlich.
Das Resultat: Jahrelang wurde Morgen für Morgen dieses Ritual zelebriert: Der
Vater überwachte seine Frau beim Zubereiten und wartete, bis sie den Kindern die
Haferflocken servierte. Dann machte er sich befriedigt auf den Weg in sein Büro.
Kaum war sein Wagen jedoch verschwunden, da wurden die vier unberührten
Schüsseln mit Flocken in den Napf des Hundes geleert, und die Mutter schlug Spiegeleier
mit Schinken in die Pfanne. Freilich ist mir nicht bekannt geworden, wie dem
bejammernswerten Hund diese eigenartige Diät bekommen ist.
Liebe und ZärtlichkeitZeigt sich bei einem 1,5er mit einemmal menschliche Wärme oder gar Zuneigung
zu einem andern Wesen, dann darf man sicher sein, dass sich sein Emotionsniveau geändert hat.
In siegreichen Armeen ist es schon beinahe zu einer traurigen Tradition geworden,
dass manche ihrer Angehörigen vor Vergewaltigungen nicht zurückschrecken.
Oft hören wir auch von geisteskranken Verbrechern, die über Frauen herfallen.
Der 1,5er von heute ist allerdings viel zu zivilisiert, um sich derart roher Mittel zu bedienen.
Er äußert seine „weichen“ Gefühle anders: Indem er seine Frau nämlich ohne
jede Zärtlichkeit „nimmt“. Rücksichtnahme kennt er nicht.
Die Frau auf Stufe 1,5 hingegen „straft“ mit Sex: Sie verweigert sich ihrem
Mann. Männer dieses Gefühlsbereichs können auf geradezu unverschämte Weise
treulos sein. Obwohl sie meist recht klägliche Liebhaber sind, halten sie sich für unwiderstehlich
und streichen ruhelos gleich dem Don Juan durchs Land. Sie leben in
der heiligen Überzeugung, ein wahres Göttergeschenk für alle Frauen zu sein. (Männer
der Stufen 1,1 und 1,2 verhalten sich ähnlich.)
Zusammenfassung„Halt!“ schrie der Filmregisseur die Schauspieler an. „Verdammt noch mal!
Spielt die Szene endlich richtig!“ In einer psychologischen Abhandlung wurde das
Benehmen dieses Regisseurs als eine „Mischung von Wut, Abscheu und Ungeduld“
bezeichnet. In Wirklichkeit setzt sich diese Mischung jedoch aus verschiedenen charakteristischen
Merkmalen zusammen, die allesamt zum „Zorn“ – Niveau gehören.
Sie sind demnach keine selbständigen Emotionen, sondern zählen zur Stufe 1,5.
Schlagen Sie einem 1,5er einen Spaß vor, dann wird er Sie anzischen: „Für so
was hab ich keine Zeit.“ Er beschwert sich viel lieber. Was immer er auch erreicht
haben mag, er empfindet keine rechte Freude daran. Er ist stattdessen der Ansicht,
dass er von Rechts wegen viel mehr verdient habe. Wo er einen Fehlschlag einstecken
muss, schiebt er andern die Schuld in die Schuhe. Er staut unentwegt Groll auf.
Entschuldigen Sie sich bei ihm mit den Worten: „Es tut mir leid. Ich nehme alles zurück“,
dann gestattet er Ihnen gar nicht, etwas von Ihren Äußerungen zurückzunehmen.
Er braucht seinen Groll nämlich wie das tägliche Brot. Wenn jemand zu Ihnen
sagt: „Sie sind im Unrecht“, dann ist dieser Mensch auf 1,5 oder 2,0 einzuschätzen.
Niemand, der auf einem anderen Emotionsniveau heimisch ist, würde eine solche
Bemerkung so unverblümt aussprechen.
Der Mensch auf hoher Stufe sinkt auf „Zorn“, sobald er „gestoppt“ wird. Aber
er fasst sich bald wieder und vergisst die Angelegenheit. In Schwierigkeiten gerät er
bloß dann, wenn er eine wichtige Entscheidung trifft oder Differenzen beizulegen
versucht, solange er sich noch auf diesem tieferen Niveau befindet.
Als ich einer Schulklasse die Emotionsskala erklärte, bat ich die Kinder
zugleich, mir einige ihnen bekannte Verhaltensweisen auf niedriger Ebene zu nennen.
Ein Schüler erzählte von seinem Nachbarn, den er eines Morgens beim Anlassen
seines Automotors beobachtet hatte. Der Mann drehte den Zündschlüssel, trat
ein paar Mal aufs Gaspedal, aber der Motor sprang nicht an. Nun öffnete er die Motorhaube,
fummelte eine Zeitlang im Innern herum und versuchte danach sein Glück
aufs Neue. Vergeblich. Nachdem er eine Weile hin und herhantiert hatte, bekam er
einen Wutanfall. Er machte den Kofferraum auf, riss einen schweren Hammer heraus,
rannte um den Wagen und schlug wie ein Tobsüchtiger unter wildem Gebrüll auf
die Motorhaube ein. Und das solange, bis seine Arme erschlafften.
Das ist freilich auch eine Methode, verfahrene Dinge wieder in „Ordnung“ zu
bringen. Und zwar eine höchst gründliche.
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