Es könnte gesagt werden, dass man eine Person gesund machen würde, wenn man sie in Kommunikation brächte. Dieser Faktor ist in der Psychotherapie nicht neu, aber die Konzentration darauf ist neu, und die Interpretation von Fähigkeit als Kommunikation ist vollkommen neu. Befänden Sie sich in vollkommener und vollständiger Kommunikation mit einem Auto auf einer Strasse, hätten Sie ganz bestimmt keine Schwierigkeiten, dieses Auto zu fahren. Wenn Sie jedoch nur in teilweiser Kommunikation mit dem Auto wären und mit der Strasse überhaupt nicht in Kommunikation, dann ist es ziemlich sicher, dass ein Unfall passieren würde. Die meisten Unfälle ereignen sich, wenn der Fahrer durch einen Streit, den er gehabt hat, oder durch eine Stockung oder ein Kreuz an der Strassenseite, welches daraufhinweist, dass hier ein Autofahrer getötet wurde, oder durch seine eigene Angst vor Unfällen abgelenkt ist. Wenn wir sagen, dass jemand in der Gegenwart sein sollte, dann meinen wir, dass er in Kommunikation mit seiner Umgebung sein sollte. Wir meinen weiterhin, dass er mit seiner Umgebung, so wie sie existiert, nicht wie sie existierte, in Kommunikation sein sollte. Und wenn wir von Vorhersage sprechen, dann meinen wir, dass die Person mit ihrer Umgebung so, wie sie existieren wird, als auch so, wie sie existiert, in Kommunikation sein sollte.
Wenn Kommunikation so wichtig ist, was ist dann Kommunikation? Sie wird am besten in ihrer Formel ausgedrückt, die isoliert worden ist, und durch deren Verwendung eine grosse Anzahl interessanter Ergebnisse von Fähigkeitsveränderungen erzielt werden können. Die Formel für Kommunikation lautet: Ursache, Entfernung, Wirkung, mit Absicht, Aufmerksamkeit und Duplikation. Es gibt zwei Arten von Kommunikation, die beide von dem eingenommenen Standpunkt abhängen. Es gibt ausströmende Kommunikation und einströmende Kommunikation. Eine Person, die zu jemand anderem spricht, kommuniziert zu jener Person (hoffen wir), und die Person, zu der gesprochen wird, empfängt Kommunikation von jener Person. Nun, da die Unterhaltung sich wendet, stellen wir fest, dass die Person, zu der gesprochen worden ist, jetzt das Sprechen ausführt und zur ersten Person spricht, die jetzt Kommunikation von ihr empfängt. Eine Unterhaltung ist der Vorgang von abwechselnd ausströmender und einströmender Kommunikation, und genau an dieser Stelle kommt die Eigentümlichkeit, die Aberration und Gefangensein bewirkt, vor.
Es gibt hier eine Grundregel: Die Person, die ausströmen möchte, muss ebenfalls einströmen – jemand, der einströmen möchte, muss ebenfalls ausströmen. Wenn wir feststellen, dass diese Regel nach einer der beiden Richtungen hin ihr Gleichgewicht verloren hat, entdecken wir Schwierigkeiten. Eine Person, die ausschliesslich Kommunikation ausströmt, kommuniziert, im vollen Sinne des Wortes, in Wirklichkeit überhaupt nicht, denn um vollständig zu kommunizieren, müsste sie ebenso ausströmen wie einströmen. Eine Person, die ausschliesslich Kommunikation einströmt, ist gleichfalls in schlechtem Zustand, denn wenn sie einströmen möchte, dann muss sie ausströmen.
Duplikation: Herstellen eines Doppels von etwas; Nachvollzug.
Sämtliche Einwände, die irgend jemand gegen gesellschaftliche und menschliche Beziehungen hat, können grundsätzlich mit dieser Kommunikationsregel, wo sie missachtet wird, erklärt werden. Jeder, der spricht, ist bestürzt, wenn er keine Antworten bekommt, ausser er ist in einem zwanghaften oder besessenen Seinszustand. Gleichermassen ist jeder, zu dem gesprochen wird, bestürzt, wenn ihm keine Gelegenheit gegeben wird, seine Antwort zu geben. Selbst Hypnose kann mit dieser Kommunikationsregel verstanden werden. Hypnose ist ein fortwährendes Einströmen – ohne eine Gelegenheit für das Medium, auszuströmen. Dies wird bei der Hypnose in einem solchen Masse betrieben, dass die Person in dem Ort, wo sie hypnotisiert wird, tatsächlich gefangen ist und in diesem Ort von da an zu einem gewissen Grad gefangen bleiben wird. Folglich könnte man soweit gehen und sagen, dass die Ankunft einer Kugel eine schwere Art von Hypnose ist. Die Person, die eine Kugel empfängt, strömt keine Kugel aus, und somit wird sie verletzt. Wenn sie sofort, nachdem sie eine Kugel empfangen hätte, eine Kugel aussenden könnte, könnten wir die interessante Frage einflechten: »Würde sie verletzt werden?« Nach unserer Regel würde sie dies nicht. In der Tat, wäre sie in perfekter Kommunikation mit ihrer Umgebung, könnte sie nicht einmal eine Kugel auf verletzende Weise empfangen. Ein nicht beendeter Kommunikationszyklus (Zyklus: Anfang bis Ende einer beabsichtigten Aktion) erzeugt das, was man einen »Antworthunger« nennen könnte. Eine Person, die auf ein Signal wartet, dass ihre Kommunikation empfangen worden ist, neigt dazu, jede Einströmung zu akzeptieren. Nachdem eine Person eine sehr lange Zeit beständig auf Antworten gewartet hat, die nicht ankamen, wird jede beliebige Art von Antwort, von irgendwoher, zu ihr hereingezogen werden, als eine Anstrengung, ihren Mangel an Antworten zu beheben. Wir haben seit 1790 ein ganzes Philosophengeschlecht aus dem Dasein verschwinden sehen. Wir haben gesehen, wie die Philosophie ein sehr unwichtiges Fach wurde, während sie doch einmal ein sehr weitverbreitetes Gut unter den Menschen war. Die Philosophen brachten sich in die Lage, dass sie mit den Leuten keine Kommunikation mehr hatten, indem sie darauf bestanden, Wörter mit aussergewöhnlichen Definitionen zu verwenden, die von der Allgemeinheit nicht mit Schnelligkeit aufgenommen werden konnten. Der Gebrauch der Philosophie konnte nicht von jenen mit relativ begrenztem Sprachschatz schnell nachvollzogen werden. Nehmen Sie solche Zungenbrecher wie »Telekinese«. Obschon es wahrscheinlich etwas sehr Interessantes und sehr Wichtiges bedeutet, denken sie einmal sorgfältig zurück: kein Taxifahrer erwähnte dieses Wort je Ihnen gegenüber, während Sie Ihr Fahrgeld bezahlten oder während der wortreicheren Augenblicke der Fahrt. Vermutlich war die Grundschwierigkeit mit Philosophie, dass sie in ihrer Sprache germanistisch wurde, ein Beispiel, das von Immanuel Kant gesetzt wurde. Erinnern Sie sich an jene erstaunliche Geschichte von
SakiDas sind einige der bekannteren Kurzgeschichten-Sammlungen von Hector Hugh Munro, der sich als Schriftsteller “Saki” nannte. “Saki” soll aus einem Gedicht eines alten indo-persischen Autors stammen, eine dort vorkommende Figur sein. So jedenfalls will es die Mehrheit der Forscher, so wollte es auch seine Schwester. Aber seine Schwester hat nach Munros Tod auch praktisch alle Briefe und Dokumente vernichtet. Ich gehöre jedenfalls zu jener Minderheit, die “Saki” als jenen südamerikanischen Affen indentifiziert, der auch in The Remoulding of Groby Lington eine Rolle spielt: Ein verspielter, aber durchaus bösartiger Vertreter der Primatengattung.
Nachdem Munro mit einer an The History of the Decline and Fall of the Roman Empire angelehnten Geschichte des Russischen Reichs keinen Erfolg hatte, ging er dazu über, unter dem Pseudonym “Saki” seine Kurzgeschichten zu veröffentlichen. Er verarbeitet darin seine Erfahrungen, die er als Kind unter der Erziehungsgewalt strenger, puritanischer Grossmütter und Tanten gemacht hat. (Auch er, wie Kipling, ein in den Kolonien Geborener, dem der Lebensstil im Mutterland so gar nicht zusagte.) So hält er in seinen Kurzgeschichten seiner edwardianischen Zeit einen Spiegel vor – keinen schmeichelhaften.
Man sagt ihm nach, von Oscar Wilde, Lewis Carroll und Rudyard Kipling beeinflusst zu sein und selber u.a. A. A. Milne und P. G. Wodehouse beeinflusst zu haben. Das mag in grösserem oder kleinerem Massstab seine Richtigkeit haben. Aber Lewis Caroll wie Milne oder Wodehouse sind, im Vergleich zu Saki, viel zu lieb und viel zu nett. Sakis Protagonisten sind grösstenteils Kinder oder Kind gebliebene Erwachsene, die den nicht Kind gebliebenen Erwachsenen Streiche spielen. Nur eben keine netten Streiche, sondern bösartige. Da stirbt auch schon mal jemand. Kipling ist, was die beiden gemeinsame Härte und Grausamkeit ihrer Welt betrifft, am ehesten als Einfluss geltend zu machen. Aber Kipling ist nicht so komisch. Die wiederkehrenden Charaktere Clovis und Reginald, zwei junge und reiche Nichtstuer, lassen zwar tatsächlich an Wilde denken. Ihnen ist, wie vielen Gestalten Wildes, einiges an Zynismus eigen. Aber Wildes Figuren sind Salon-Zyniker – Zyniker zur Erheiterung ihrer Umwelt. Sakis Zyniker sind wahrhaft menschenverachtend und sie amüsieren nur sich, dies aber auf Kosten ihrer Umwelt. (Jedenfalls innerhalb der Geschichten; natürlich amüsiert sich der Leser mit.) So bleibt als einziger Vergleichspunkt zwischen Wilde und Munro die ihnen gemeinsame Homosexualität – die Munro allerdings in einem England, wo das strafbar war, besser zu verstecken wusste. Denn Munro war so wenig naiv, wie die Kinder, die er darstellte.
Viele von Sakis Geschichten gehen auch in blanken Horror über. Werwölfe scheinen ein bisschen seine Obsession gewesen zu sein, jedenfalls kommen ein paar davon vor. Diese Vermischung von Humor und Horror habe ich nur ein einem andern Autor gefunden: dem 30 Jahre älteren, aber nur 2 Jahre vor Munro gestorbenen US-Amerikaner Ambrose Bierce. Ob die beiden von einander wussten?
Jedenfalls Pflichtlektüre für jeden, der schwarzen Humor und Zynismus in den Charakteren liebt. Beide.
, darin wurde ein Mann einmal zu Tode getrampelt, während er einem Elefanten unregelmässie Telekinese: Die Erzeugung von Bewegung über eine Entfernung hinweg mit aussersinnlichen Mitteln.
Die Philosophie entledigte sich eines Teils ihrer Verantwortung für den Kommunikationszyklus, indem sie sich für ihre Leser unnachvollziehbar darstellte. Es ist die Verantwortung eines jeden, der kommunizieren möchte, dass er einen Wortschatz verwendet, der verstanden werden kann. Nehmen wir nun einmal das Beispiel der Person, die im Leben sehr »erfahren« geworden ist. Diese Person hat einen Erinnerung; es ist nicht die Erinnerung von irgend jemand anderem. Die grundlegenden persönlichen Eigenheiten in den Menschen gründen sich auf die Tatsache, dass ihnen verschiedene Dinge widerfahren und dass sie diese verschiedenen Dinge von verschiedenen Standpunkten aus betrachten. Folglich haben wir Individualisierung, und wir haben individuelle Meinung, Betrachtung und Erfahrung. Zwei Menschen, die die Strasse entlang gehen, werden Zeuge eines Unfalls. Jeder von ihnen sieht den Unfall zumindest von einem leicht verschiedenen Standpunkt aus. Befragt man zwölf verschiedene Zeugen des gleichen Unfalles, wird man wahrscheinlich zwölf verschiedene Unfälle finden. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass Zeugen gerne erzählen, was sie gesehen zu habe glauben, statt das zu erzählen, was sie sahen, gab es tatsächlich zwölf verschiedene Punkte, von denen aus der Unfall betrachtet wurde, und daher zwölf verschiedene Aspekte der Vorkommnisse. Wenn man diese zwölf zusammenbringen würde und sie untereinander über diesen Unfall kommunizieren müssten, dann würden sie zu einem Punkt der Übereinstimmung hinsichtlich des tatsächlichen Geschehens gelangen. Dies wäre vielleicht nicht der wirkliche Unfall, aber bestimmt ist es der Unfall, über den man sich geeinigt hat, der dann der wirkliche Unfall wird. Das ist die Art und Weise, wie die Geschworenen sich verhalten. Sie mögen über das wirkliche Verbrechen urteilen oder vielleicht auch nicht, aber bestimmt urteilen sie über das Verbrechen, über das sie sich geeinigt haben. In jedem Krieg dauert es zwei oder drei Tage, bis genügend Übereinstimmung eintritt, um zu wissen, was sich in einer Schlacht ereignete. Während es eine wirkliche Schlacht gegeben haben mag, eine wirkliche Folge von Geschehnissen und Ereignissen, ist jedoch Tatsache, dass jeder einzelne Mann in der Schlacht die Schlacht von seinem eigenen besonderen Standpunkt gesehen hat, womit wir ganz strikt »den Punkt, von dem aus er gesehen hat« meinen, nicht seine Ansichten – niemand sah die Schlacht in ihrer Gesamtheit. Zeit muss daher verstreichen, damit genügend Kommunikation über das Thema der Schlacht stattfinden kann, so dass alle ungefähr darüber übereinstimmen, was geschehen ist. Natürlich, wenn die Historiker an diese Schlacht herangehen und anfangen verschiedenartige Berichte darüber zu schreiben, und zwar aus den Erinnerungen von Generälen, die versuchten ihre Niederlagen wegzuerklären, dann bekommen wir in der Tat eine stark verzerrte Darlegung. Und doch wird dies, soweit es die Geschichtsschreibung betrifft, zu der Schlacht, über die Übereinstimmung besteht. Liest man die Historiker, erkennt man, dass man niemals wirklich wissen wird, was sich in Waterloo, bei Bennigton und bei Marathon abgespielt hat. Insofern als wir es als eine Kommunikation betrachten können, dass ein Soldat auf einen anderen Soldaten schiesst, sehen wir, dass wir Kommunikationen über Kommunikation studieren. Die gesamte Aufzeichnung, vollständig mit allen Wahrnehmungen, von dem Dasein der Person im physikalischen Universum.
Wir kommen nun zu dem Problem, was eine Lebenseinheit zu erfahren bereit sein muss, um zu kommunizieren. Zunächst einmal muss der anfängliche Ursachepunkt bereit sein, duplizierbar zu sein. Er muss imstande sein, dem Empfangspunkt zumindest etwas Aufmerksamkeit zu schenken. Der anfängliche Empfangspunkt muss bereit sein zu duplizieren, muss bereit sein zu empfangen und muss bereit sein, sich in einen Ursachepunkt zu verwandeln, um die Kommunikation oder eine Antwort darauf zurückzusenden. Und der anfängliche Ursachepunkt muss seinerseits bereit sein, ein Empfangspunkt zu werden. Da wir uns im Grunde mit Ideen und nicht mit Mechanismen beschäftigen, sehen wir dann, dass zwischen einem Ursache – und einem Empfangspunkt eine Geistesverfassung vorhanden sein muss, in der jeder der beiden Punkte bereit ist, willentlich Ursache oder Wirkung zu sein, bereit, willentlich zu duplizieren, bereit, willentlich duplizierbar zu sein, bereit, willentlich zu verändern, bereit, die dazwischenliegende Entfernung zu erfahren; kurz gesagt, bereit zu kommunizieren. Wo wir diese Bedingungen bei einer einzelnen Person oder einer Gruppe erreichen, haben wir geistig gesunde Leute. Wo eine Nichtbereitschaft auftritt, Kommunikation zu senden oder zu empfangen, wo Menschen besessen oder zwanghaft Kommunikationen aussenden, ohne ihnen eine Richtung zu geben und ohne zu versuchen, duplizierbar zu sein, wo Personen, die Kommunikationen empfangen, schweigend dastehen und nicht bestätigen oder antworten, da haben wir aberrierende Faktoren.
Ein Mensch ist in dem Masse tot, wie er nicht kommunizieren kann.
Er ist in dem Masse lebendig, wie er kommunizieren kann. Durch zahllose Tests habe ich in überzeugendem Masse entdeckt, dass die einzige Hilfe für das Leben weitere Kommunikation ist. Man muss seine Kommunikationsfähigkeit vergrössern.
Sehr viele Jahre lang habe ich diese Frage gestellt: »Kommunizieren oder nicht kommunizieren?
« Wenn man sich durch Kommunizieren in solch vollendete Schwierigkeiten gebracht hat, dann sollte man natürlich aufhören zu kommunizieren. Aber das ist nicht der Fall. Wenn man sich durch Kommunizieren in Schwierigkeiten bringt, dann sollte man weiter kommunizieren. Mehr Kommunikation, nicht weniger, ist die Antwort, und nach einem Vierteljahrhundert der Forschung und Überlegung halte ich dieses Rätsel für gelöst.