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● 1. Kategorie Prolog => ★ 1.c => Thema gestartet von: ★ Ronald Johannes deClaire Schwab am 17. November 2020, 04:01:40

Titel: ✨ Stimmungen des Seins-Wiedergutmachen
Beitrag von: ★ Ronald Johannes deClaire Schwab am 17. November 2020, 04:01:40
„Wiedergutmachen: (Schaden, Böses) ersetzen, erstatten (Verlust).“

Lisa entschließt sich, nicht mehr mit Oskar „zu gehen“. Er ist vernichtet. Schluchzend und voller Selbstmitleid schwört er: „Ich werde alles tun, damit du mich wieder liebst.“ Er ruft sie an. Er schickt ihr Geschenke. Er schreibt ihr glühende Briefe. Er wartet an der Ecke, damit er sie „zufällig“ trifft, wenn sie das Haus verlässt. „Bitte, Lisa“, fleht er, „sag mir doch bloß, warum du mich nicht mehr liebst. Ich mach ja alles, was du willst. Sag mir, dass du mir noch eine Chance gibst.“ „Oskar, kapierst du denn nicht, dass es aus ist zwischen uns? Ich will dich einfach nicht mehr sehen.“ Er lässt den Kopf hängen wie eine Primel, die man nicht mehr gegossen hat. "Mein Gott! Was hat das Leben dann noch für einen Sinn! Am liebsten wäre ich tot. Da kann ich mir ja gleich eine Kugel durch den Kopf jagen.“ Ein Mensch, der „wiedergutmachen“, also sühnen will, lebt in einem Zustand der ständigen „Entschuldigung“. dass er dabei schmeichlerisch, kriecherisch, schmarotzerisch wirkt, merkt er gar nicht. Er will unbedingt für ein wirkliches oder eingebildetes Unrecht Buße tun. Seine Demut und Unterwürfigkeit ist so lästig, dass wir von Glück reden können, wenn nur wenige Leute für längere Zeit auf einem solchen Niveau verharren. Im Allgemeinen handelt es sich um ein Durchgangsstadium, denn falls Gesten wie "Wiedergutmachung“ nicht zum Erfolg führen, bemitleidet sich der Betreffende mehr und mehr und verliert sich ganz (wie unser Oskar). Der Mensch auf "Wiedergutmachung“ will sich versöhnen. Ihn hungert nach Gunstbeweisen. Auf dieser Ebene finden wir blinde Loyalität, Selbstaufopferung, Märtyrertum. Eine stehende Redensart dieser Menschen lautet: „Nie im Leben werde ich Sie ganz entschädigen können.“ Sie schmieren den Leuten den Brei ums Maul, schmeicheln und erniedrigen sich, um Mitleid oder Hilfe einzuheimsen.
Auf dieser Ebene begegnet uns auch der Säufer, der bettelnd durch die Straßen zieht, und die Heroinsüchtige, die der Prostitution verfällt, um sich den nächsten „Schuss“ leisten zu können.
Hilfe für den Alkoholiker?
Der Säufer begibt sich auf "Wiedergutmachung“, wenn er sich noch ein Glas erbettelt (das natürlich das allerletzte sein wird). Aber auch der Trinker, der seinem Laster entsagen möchte, muss diese Region durchwandern, damit er geheilt werden kann. Der stets zum Trübsinn geneigte Mensch fühlt, dass schlechterdings alles schmerzlich ist. Rutscht er auf "Wiedergutmachung“ ab, dann versichert er: „Ich werde alles tun, um davon loszukommen.“ Wenn sich ihm jedoch keine echte Hilfe anbietet, wird er seinen Schmerz durch ein Betäubungsmittel los: durch den Alkohol (natürlich immer nur für kurze Zeit, versteht sich). Hat er Glück, dann begreift er in einem nüchternen Moment, dass seine Enthaltung sich zu einem Problem entwickelt, das größer ist als jenes, dem er ursprünglich hatte entfliehen wollen. Seine Reue treibt ihn eine Stufe höher: Er will wiedergutmachen. Er will sühnen. Und eben dies ist die Ursache dafür, dass die meisten Drogen und Alkoholentziehungskuren keinen Erfolg haben.
Jemanden von Drogen abzuhalten, ist nur eine Zwischenlösung. Will er hingegen wirklich geheilt werden, dann muss er den festen Willen haben, selber etwas zu unternehmen, um seiner Apathie zu entrinnen. Gelingt ihm dies, muss er sich an der Skala weiter hinaufbewegen. Bleibt er auf den unteren Stufen, dann wird er beim nächsten Anlass wiederum seine alten Gewohnheiten annehmen. Zuweilen fassen Trinker von sich aus den Entschluss, dem Alkohol zu entsagen. Fast immer aber werden sie binnen kurzem wieder rückfällig. In solchen Fällen kann das Wissen um die Emotionsskala von Nutzen sein. Das eigentliche Problem stellt nämlich gar nicht der Alkohol dar, sondern die Gefühlslage des Trinkers: Viele können das Leben einfach nicht ertragen, solange sie nüchtern sind. Sie brauchen den Rausch wie die Luft zum Atmen. Die „Kur" besteht darin, diese Leute auf eine höhere Stimmungsebene zu heben. Unter allen Umständen müssen sie unter Menschen kommen, die imstande sind, sie geistig und seelisch zu unterstützen. Bleiben derart gefährdete Personen jedoch unter ihresgleichen – das heißt: unter Menschen von niedrigem Emotionsniveau , dann werden sie wohl nie geheilt. Ich kannte einen gewissen Herbert, der den falschen Beruf gewählt hatte, um seine Eltern zufrieden zu stellen. Er dachte, es fiele ihm nicht besonders schwer, sein persönliches Ziel – nämlich Fotograf zu werden – aufzugeben. Zwanzig Jahre später war er ein Alkoholiker und befand sich zu seiner sechsten Entziehungskur im Krankenhaus. Der Arzt warnte ihn: „Wenn Sie jetzt nicht endlich Schluss machen, werden Sie in einem Jahr tot sein, denn ihre Leber lässt sich diese Sauferei nicht länger gefallen.“ Er schaffte den Aufstieg zu "Wiedergutmachung“ und sah sich nach einer wirklichen Hilfe um. Als er den Grund seiner Apathie begriffen hatte, gab er seinen ungeliebten Beruf auf und wurde freier Fotograf. Seit fünf Jahren nun hat er keinen Alkohol mehr angerührt. Er ist guter Dinge, und die Arbeit macht ihm Spaß.
„Die anonymen Spieler“
Während einer Pokerpartie setzte ein Spieler sein ganzes Vermögen auf eine Karte. Gleichmütig wartete er auf den Ausgang. Nachdem er gewonnen hatte, nickte er nur kurz. Ein Zuschauer, den die Apathie dieses Mannes bestürzte, erkundigte sich: „Wie können Sie denn einfach bloß nicken, wenn Sie gerade 250.000 Dollars eingestrichen haben?" Der Spieler zuckte mit den Achseln und entgegnete: „Wissen Sie, was mir am meisten gefiel? Der Moment, als wir auf das Ausspielen der letzten Karte gewartet haben. Da habe ich Leben in mir gefühlt. Nur in solchen Sekunden spüre ich, dass ich wer bin. Aufs Geld, aufs Gewinnen oder Verlieren, kommt's mir nicht an. Das lässt mich ziemlich kalt.“
Zitat
Diese Auffassung „ich bin niemand“ ist bezeichnend für apathische Menschen. Finden sie irgendetwas, von dem sie glauben, es biete ihnen einen Ausweg (wenn auch nur für kurze Zeit), dann werden sie süchtig. Wer seiner Sucht entfliehen will, muss also unbedingt auf der Skala „klettern“. Es gibt Organisationen, die sich „Anonyme Spieler“ oder ähnlich nennen. Sie haben sich die Aufgabe gesetzt, Ehen, Familien, sogar in besonders krassen Fällen – Menschenleben zu retten. Das System funktioniert allerdings nur dann, wenn der Spieler offen zugibt, dass er keine Macht über seine Spielleidenschaft hat, und dass er, der Hilfe anderer bedarf, um seiner Schwierigkeiten Herr zu werden. Außerdem muss er begreifen lernen, dass er auch dann „wer“ ist, wenn er nicht mehr spielt. Und dies erfordert natürlich ein Anheben seines Emotionsniveaus. Folglich muss er zunächst das Stadium der Wiedergutmachung erreichen, bevor er etwas für sich selber tun kann.
Im Berufsleben
Wenn jemand für einen schroffen Chef arbeitet, kann er sein Selbstvertrauen verlieren. Dann ist der Weg nicht mehr weit bis zur Apathie: Er traut seinem eigenen Urteil nicht mehr und glaubt auch nicht mehr an seine Leistungsfähigkeit. Gibt es jedoch einen Hoffnungsschimmer, den Job behalten zu können, dann wird er vermutlich nur allzu leicht ein schwächlicher „Ja Sager“. In einem fort verteidigt er seine entwürdigende Existenz in diesem Unternehmen und übernimmt willig selbst die beschämendsten Handlangerdienste, um ja nicht hinausgeworfen oder „bestraft“ zu werden. Wahrscheinlich wird er trotzdem scheitern. Bei seinen verkrampften Bemühungen, um jeden Preis zu „gefallen“ und nicht anzuecken, verhält er sich wie ein Stiefelputzer, dem der Stiefel dennoch dauernd wieder in den Schmutz fällt.
Zitat
Zusammenfassung
Ein Mensch, der tief enttäuscht, ungerecht behandelt oder betrogen wird, streicht oft die Segel und verfällt der Apathie. Solange er traurig und bekümmert ist, findet er auch nicht die Kraft, Missverständnisse oder Irrtümer aufzuklären (weder die seinen noch die der andern). Erst wenn er die Stufe der Wiedergutmachung erklommen hat, bietet sich ihm eine Chance.
Eines Tages kam ein zwanzigjähriger Bekannter zu mir. „Ich weiß nicht, was in letzter Zeit mit mir los ist“, klagte er. „Mir ist, als ginge das Leben an mir vorbei, ohne dass ich's überhaupt merke. Was wird denn da eigentlich gespielt?
Jeder andere Zustand wäre besser als der: "Was soll ich bloß machen?“
Obwohl seine augenblickliche Verfassung ziemlich hoffnungslos schien, war er doch schon auf dem Weg der Besserung. Einige Wochen lang befand sich dieser junge Mann in einer apathischen Stimmung: „Mir ist alles wurscht“, schien jede seiner Gesten auszudrücken. Nun aber war er sich wenigstens seiner Lage bewusst geworden und gesonnen, etwas zu unternehmen. Wir plauderten eine Weile miteinander, und er erzählte mir von der großen Enttäuschung, die ihn in diesen Zustand der Gleichgültigkeit und Abgestumpftheit gestürzt hatte. Danach weinte er – und bald danach war seine Gefühlswelt wie umgewandelt. Voller Zuversicht ging er davon.

Wer sich im Stadium der Sühne und Wiedergutmachung befindet, ist naturgemäß geschwächt. Kein Grund indessen, alle Hoffnung fahren zu lassen.