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💝 EMOTIONSSKALA - Dreiundzwanzigstes Kapitel - Der Umgang mit Menschen

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★ Ronald Johannes deClaire Schwab:
Dreiundzwanzigstes Kapitel - https://bodhie.eu/ton
Der Umgang mit Menschen
Wie können Sie einen lustlosen Verkäufer wieder auf Trab bringen? Wie verhalten
Sie sich gegenüber einem 1,1er, der Sie zu schädigen versucht? Wie erwehren
Sie sich eines „antagonistischen“ Interviewers? Wie veranlassen Sie einen
gleichgültigen Kunden dazu, eine Ware zu kaufen? Wie heitern Sie einen Freund
auf? Was unternehmen Sie, wenn jemand zornig oder böse wird? Anders ausgedrückt:
Wie begegnet man Menschen auf tiefem Emotionsniveau? (Bei „Hochstehenden“
bedarf es keiner Unterweisung: In ihrer Gegenwart fühlt man sich wohl.)
Sich bewusst auf andere einstellen
Mitunter halten wir es für angebracht, auf das Emotionsniveau eines anderen
bewusst einzugehen. Wir begeben uns dabei auf seine Stufe oder etwas höher.
Fällt ein Mensch, der gewöhnlich oben auf der Skala lebt, einmal in die unteren
Bereiche, so wird es ihm durch unsere Hilfe möglich sein, schnell wieder hinaufzukommen.
Sollte er sich jedoch auf den unteren Stufen der Skala bewegen, dann
wird ihm unser Beistand gleichfalls nützlich sein – freilich nur für kurze Zeit. Solche
Personen geraten leicht in ein Abhängigkeitsverhältnis. Sie sehen in dem Helfer einen
Menschen, der sie versteht und der ihnen Auftrieb gibt. Das kann zu einer großen
Belastung werden, falls er nicht dauerhaft auf eine höhere Gefühlsebene kommt.
Wie ist der Mensch wirklich?
Sind Sie sich darüber im Unklaren, wo jemand auf der Skala einzustufen ist?
Nun, es gibt ein einfaches Mittel, dies festzustellen: Versuchen Sie herauszufinden,
was ihn interessiert. Beginnen Sie oben auf der Skala mit schöpferischen Ideen. Ist
Ihr Partner auf diesem Ohr taub, gehen Sie halt zu Allerweltsgerede über: „Schönes
Wetter, nicht wahr?“ Greifen Sie etwas an oder seien Sie zornig. Erzählen Sie ihm
ein Gerücht. Erwähnen Sie etwas Furchterregendes. Beklagen Sie das Schicksal der
Armen. Jammern Sie darüber, dass die Dinge keineswegs so sind, wie sie früher waren.
Stellen Sie mit betrübter Miene fest, dass eben alles hoffnungslos sei.
Wenn Sie sich dergestalt nach „unten“ begeben, wird sich Ihr Partner verraten
– nämlich in dem Augenblick, da Sie sein Emotionsniveau angesprochen haben.
Meist dauert es gar nicht lange, bis dies passiert. Auf diesem Wege finden Sie heraus,
was für ein Mensch Ihnen gegenüber sitzt. Nachdem Sie sich eine Zeitlang mit
ihm unterhalten haben, wird er zu der Überzeugung gelangen, Sie seien ein sehr
verständnisvoller Mensch. Und also wird er Sie mögen. Kann er auf der Skala ohne
Schwierigkeit von Stufe zu Stufe klettern, wird er Ihnen nun begierig folgen:
Sie können ihn „anheben“
Manche Leute sind freilich so unbeweglich, dass sie sich bestenfalls einen
Schritt von ihrer üblichen Empfindungsebene zu entfernen vermögen.
Zum Glück kommt das nicht allzu oft vor.
Apathie
Liegt jemand tief apathisch im Bett (sei er nun krank, oder leide er an einem
Schock), dann kommen Sie mit Worten allein nicht weiter. Um ihn zu „erreichen“, ist
der körperliche Kontakt nötig. Berühren Sie ihn an der Schulter, oder ergreifen Sie
seine Hand. Diese Ihre Hand ist für ihn ungleich „realer“ als tausend Gedanken, die
Sie mit ihm teilen. Reagiert er nach einer Weile, dann lenken Sie seine Aufmerksamkeit
auf Gegenstände im Zimmer. Deuten Sie auf ein Bild oder eine Blumenvase.
Lassen Sie ihn den Bettbezug anfassen. All dies hilft ihm, ein wenig auf der Skala zu
steigen. Es ist zwecklos, ihn in Gedankengänge zu verstricken. Machen Sie ihm bewusst,
dass er überhaupt „da“ ist.
Meist ist es schwer, dem „Apathie“-Menschen nahe zu kommen (vor allem
dann, wenn er behauptet, alles sei in bester Ordnung). Der erwähnte körperliche
Kontakt und der Hinweis auf seine Umgebung sind nützlich. Ich selbst gehe zuweilen
noch weiter, indem ich über den zerstörten Traum spreche, der den Abwesenden in
Apathie versetzt hat. Finden Sie auf diesem Wege Zugang zu ihm, müssen Sie allerdings
mit Tränenausbrüchen rechnen, denn dieser Mensch kämpft ja gegen seine
Traurigkeit, gegen seinen Gram, an. Gelingt es ihm, diese Last abzuwerfen, wird er
sich allmählich wieder aufwärts bewegen können.
Ich kenne einen jungen Mann, der ein apathisches Mädchen dadurch aus seiner
Apathie weckte, dass er über den zu erwartenden Tod sprach. Augenblicklich
reagierte das Mädchen darauf: Diese Frage war für sie „real“. Nachdem er ein wenig
Hoffnung verheißen hatte, hüpfte das Mädchen sogleich auf die Stufe „Wiedergutmachung“
und erkundigte sich eifrig: „Was soll ich denn machen?“ Und wenig später
flossen die Tränen. Merkwürdig war, dass Beobachter dieser Szene die Methode des
jungen Mannes bestürzend fanden: Das Mädchen sei doch „aufgeregt“ worden. In
Wahrheit hatte der Mann das Vernünftigste in dieser Situation getan: Es war ihm gelungen,
das Mädchen zu veranlassen, sich mit ihrem eigenen Zustand auseinanderzusetzen.
Es dauerte nicht lange, und das junge Geschöpf konnte sich wieder nützlich machen.
Traurigkeit
Die meisten Leute ziehen sich instinktiv auf die Stufen „Gunstbemühung“ oder
„Mitleid“ zurück, wenn sie mit einem Menschen des Gefühlsbereichs „Traurigkeit“ in
Berührung kommen. Bei Todesfällen schicken wir Blumen oder tun sonst etwas „Nettes“
für die Hinterbliebenen.
Diese Gesten (mögen sie auch konventionell sein) sind natürlich, und der im
Gram eingeschlossene Mensch versteht sie. Hilfe, die höheren Gefühlen entspringt,
würde er wohl nicht begreifen. (Erzählen Sie einem „traurigen“ Menschen nur ja
nicht, dass alles zum „Besten bestellt“ sei: Dieser gut gemeinte Hinweis würde ihn
apathisch machen.)
Wie Leute auf dieser Emotionsstufe reagieren, zeigt deutlich ein Vorfall, der
sich in einer Trinkerheilanstalt ereignete. Ein Mann, der sich von seiner Sucht ziemlich
befreit hatte, meinte: „Es ist wirklich ein Jammer, dass man nicht einen einzigen
echten Freund auf Erden hat.“ Darauf bemerkte ein anderer, es sei doch einfach töricht,
einen derartigen Menschen überhaupt zu suchen. Nun, dieser Mann war absolut
apathisch. Eine Diskussion schloss sich an. Manche sagten, es sei vielleicht doch
möglich, einen Freund zu finden. Die meisten hingegen waren der Ansicht, ein solches
Unterfangen sei von vornherein aussichtslos. Ein Psychologe wollte nun wissen,
was die Leute denn unter einem „echten Freund“ eigentlich verstünden. Nach
kurzer Überlegung definierten die Männer ihre Einstellung so: „Ein echter Freund ist
ein Mensch, der sein letztes Hemd hergibt.“
So also denken „apathische“ und „traurige“ Menschen: Was sie für Freundschaft
halten, liegt nur wenig höher als ihr eigener Gefühlsbereich – die Gunstbemühung nämlich.
Wenn Sie sich mit einem Menschen unterhalten wollen, der „ganz unten“ angelangt
ist, bleibt Ihnen keine andere Wahl, als sich selber dorthin zu begeben. Sie
müssen zunächst etwas tun, um ihm nahe zu kommen. Hinterher können Sie ihm Ihr
Mitleid angedeihen lassen. Und zwar so lange, bis er dessen überdrüssig wird. („Ach,
du armer Kerl! Wie hältst du das bloß aus? Ich kann gar nicht begreifen, dass du
nicht schon längst den Schwanz eingezogen hast.“) Aus diesen mitfühlenden Worten
wird er schließen, dass Sie Verständnis für ihn haben. Wahrscheinlich wird er schon
bald darauf erklären: „So schlimm ist das Ganze wiederum auch nicht.“ Nun liegt es
bei Ihnen, diesen Menschen auf jene Stufe der Skala zu hieven,
wo er bereit ist, wirkliche Hilfe zu akzeptieren.
Selbstverständlich müssen Sie nicht immer so dick auftragen. Wesentlich ist
jedoch dies: Sagen Sie ihm nicht, er habe gar keinen Anlass zur Trauer. Damit würden
Sie gar nichts ausrichten. Die Folge wäre: Er würde glauben, Sie hätten keinen
blassen Dunst von seinen Problemen.
Gunstbemühung
Freund Willy, der zu Gast bei der Familie Z. weilte, demolierte aus Versehen
einen Stuhl. Wortreich entschuldigte er sich und bat, ihm die Rechnung zu schicken.
„Nein, nein, das kommt überhaupt nicht in Frage“, wehrte die Gastgeberin ab. „Der
Stuhl war sowieso nicht mehr viel wert. Wir hätten ihn längst reparieren müssen.“
„Das glaube ich nicht. Sie wollen nur mein schlechtes Gewissen beruhigen. Bitte,
schicken Sie mir die Rechnung.“
Doch Frau Z. fiel es gar nicht ein, dies zu tun. Willy überreichte ihr einen Blankoscheck
mit der dringenden Bitte, den Betrag einzuschreiben. Um endlich ihre Ruhe
zu haben, tat sie dies auch – freilich nun ihrerseits mit schlechtem Gewissen.
Wenn zwei Menschen, die sich um Gunst bemühen, aufeinander stoßen,
kommt es allemal zu Schwierigkeiten. Selbst wenn Ihr Sinn für Gerechtigkeit darunter
leidet, sollten Sie die Offerten derartiger Leute annehmen und sich höflich dafür bedanken.
Andernfalls gerät der sich um Ihre Gunst Bemühende nämlich in eine fatale Lage.
Mitleid
Ich unterhielt mich einmal mit einer Frau, die chronisch auf der „Mitleid“-Stufe
verharrte. Sie wollte etwas gegen den Drogenmissbrauch unternehmen, denn die
Süchtigen taten ihr leid. Allerdings besaß sie weder die dafür erforderliche Ausbildung,
noch war sie imstande, wirkliche Hilfe zu leisten. (Ich ahnte schon, dass sie bei
Ausführung ihres Vorhabens alsbald vor lauter „Traurigkeit“ zerfließen würde.) Ich
warnte sie demnach recht energisch vor den möglichen Folgen eines solchen Unterfangens.
Könne sie denn diese Probleme überhaupt bewältigen? War es gar nicht
besser, vorsichtiger zu sein? Ich spielte also die „Furchtsame“. Zu meiner Erleichterung
erwiderte die Frau: „Wissen Sie, eigentlich glaube ich ja auch, dass ich der Sache
nicht gewachsen bin.“
Danach sprachen wir über die Leute dieses Rehabilitationskreises. Zum Teil
waren sie für ihre Aufgabe nicht geschult. Endlich gelangte meine Gesprächspartnerin
zu dem „antagonistischen“ Standpunkt: Sie meinte, es sei vernünftiger, sich zunächst
einmal richtig ausbilden zu die lassen, damit sie auch wirklich helfen könne.
Somit hatte viel sie einen wesentlich höheren Emotionsgrad erreicht: Sie war nicht
mehr bereit, sich Hals über Kopf in ein Abenteuer zu stürzen, das doch zu nichts geführt hätte.
Angst – Furcht
Einem Menschen der Stufe 1,0 kann man nahe kommen, indem man die Unterhaltung
auf allen nur erdenklichen mit Jammer bringt. Wenn Sie ihn ein wenig „liften“
wollen, müssen Sie irgendwelche heimtückischen Methoden andeuten, mit denen
er sich einer Bedrohung erwehren könnte. Lebt er in der Angst, man wolle ihm
sein Haus plündern, dann reden Sie tunlichst über Alarmanlagen, Fallen und verborgene
Waffen. Dankbar wird er Ihnen beteuern, dass er diesem Ratschlag mit Freuden
folgen werde, um die „Eindringlinge“ um die Ecke zu bringen.
Der 1,1er
Wenn Sie den Wunsch verspüren, dass Leute dieser Empfindungsebene Sie
gern haben, müssen Sie auf sie eingehen. Das heißt: Schmeicheln sie ihnen.
Schließlich spielen sie sich ja doch nur auf, um Ihnen zu imponieren, Genießen Sie
also ihr Theater, und lassen Sie sie wissen, wie sehr es Sie erfreut.
Gefühlsmäßig hochstehende Menschen geraten in Anwesenheit eines 1,1ers
fast stets in Wut (besonders dann, wenn sie zu arbeiten haben). Auf diese Weise
werden sie ihn vielleicht los. Ein 1, 1er freilich, der flexibel ist, wird sich zur Wehr setzen,
wenn Sie ihn zum Teufel schicken wollen. Ein chronischer 1,1er hingegen zieht
sich schweigend zurück, denn er fürchtet den Zorn anderer.
Ein Bekannter von mir namens Gregor litt unter den heimtückischen Attacken
seines Geschäftspartners. Eines schönen Tages platzte ihm der Kragen, und er brüllte
den andern an: „Warum bringen Sie mich nicht gleich um, damit Sie mich endlich
loswerden?“ Der Kollege – auf der Ebene 1,1 – lachte bloß und leugnete jede
Schuld. Doch von Stund an unterließ er seine gehässigen Angriffe. Mit einemmal
kam er mit seinem Partner recht gut aus. Gregor gelang es mit der Zeit, einen –
wenn auch emotionell „tiefen“ -Kontakt mit dem andern zu erreichen: Er hielt ihm
dessen wahre Absichten vor Augen und beförderte ihn auf der Skala ein Stückchen
in die Höhe.
Gefühllosigkeit
Da dieses Emotionsniveau zum 1, 1-Bereich gehört, kann man ihm mit dem
„Zorn“ auf den Leib rücken. Statt ihn direkt anzugehen, können Sie versuchen, seinen
Zorn auf einen Dritten zu leiten.
Einer meiner Freunde, der üblicherweise emotionell weit oben rangiert, hatte
sich geradezu in einen Hass auf einen Kollegen hineingesteigert. Die Folge war,
dass er sich in ein verkrampftes Schweigen hüllte, was ja typisch ist für den 1 ,2er.
Ich ergriff seine Partei und wetterte ebenfalls gegen seinen „Feind“. Das lockerte Ihn
ein wenig, worauf ich in derselben Tonart fortfuhr. Gemeinsam schmiedeten wir Pläne,
um den Unhold zu „zerschmettern“. Genüsslich malten wir uns eine grausame
Rache aus. Doch bald schon langweilte ihn dieses alberne Gequassel, und nun
dachten wir über diabolische und komische „Anschläge“ nach. Am Ende lachte mein
Freund laut auf und meinte: „Zum Teufel! Was soll das Ganze eigentlich? Ich habe
doch wahrhaftig wichtigere Dinge zu tun.“
Einen „zornigen“ Menschen können Sie nicht beruhigen oder beschwichtigen:
Ein derartiger Versuch würde ihn noch mehr aufbringen. Wenn er wütend auf Sie ist,
können Sie sich bewusst auf sein Emotionsniveau einzustellen versuchen: Sie müssen
also auch einmal so richtig „loslegen“. Das wird er Ihnen hoch anrechnen.
Eine meiner Freundinnen zog jahrelang vor ihrem Mann – einem 1,5er – den
Kopf ein. Als er sie wieder einmal anbrüllte, da brüllte auch sie. Sogleich entbrannte
ein hartnäckiger Kampf – zum ersten Mal in ihrer zwölfjährigen Ehe knallten sie einander
alles um die Ohren, was sie in sich hineingefressen hatten. Als die Kombattanten
ermattet zusammensackten, schauten sie sich aufs äußerste verdutzt in die Augen.
Kurz danach lachten sie sich beinahe tot. Hin und wieder müssen Sie Zorn, der
sich gegen Sie richtet, auf eine andere Person ablenken.
Vor Jahren, als ich noch in der Immobilienbranche tätig war, rief mich ein
Kunde an, der an seinem Zorn zu ersticken drohte. Ich hatte ihm ein Grundstück verkauft,
und er wartete voller Ungeduld auf die Dokumente des Maklers. Mehrere Telefongespräche
mit diesem Makler hatten zu nichts geführt. Jetzt ließ der Kunde seine
Wut an mir aus. An irgendjemandem musste er sein Mütchen ja schließlich kühlen.
Ich ließ ihn fünf Minuten lang toben. Als er heiser zu werden drohte, sagte ich gelassen:
„Ich nehme Ihnen Ihre Wut nicht übel. Ich werde sofort feststellen, was da eigentlich
los ist. Sie können sich darauf verlassen, dass ich denen Dampf machen
werde. Spätestens morgen hören Sie von mir.“
Nun wirbelte ich meinerseits ein bisschen Staub auf und stellte fest, woran die
Verzögerung lag. Als ich den Kunden am nächsten Tag anrief, waren die Papiere
bereits auf dem Weg zu ihm. Der Mann reagierte auf eine zwar „antagonistische“,
doch heitere Art und erklomm dadurch eine Sprosse auf der Skala. „Wissen Sie“,
meinte er, „Sie gefallen mir. Endlich mal jemand, der sofort was unternimmt, an statt
sich mit mir herumzustreiten.“ Geschäftlich gesehen, wirkte sich dieser Vorfall rentabel
aus: Auf die Empfehlung dieses Mannes gewann ich drei neue Kunden.
Antagonismus
Alfons, ein leitender Angestellter, bediente sich der „Langeweile“-Methoden,
um einen „Antagonisten“ zu besänftigen. Ein Reporter rief ihn an und drohte: „Ich
werde einen Artikel über Sie schreiben. Zurzeit stelle ich Ermittlungen über Ihre Leute
an. Was sagen Sie zu der Anschuldigung, Ihre Firma sei. ..“ – „Na so was. Also
immer noch die alte Geschichte?“
Alfons gab dem zudringlichen Burschen zu verstehen, dass er die ungehörige
Frage als ganz und gar unwichtig erachtete. Dem Gähnen nahe plauderte er liebenswürdig
über die Geschäftsinterna. Bald fing auch der Reporter an, sich zu langweilen.
„Na schön“, meinte er abschließend „Wenn ich noch weitere Fragen haben
sollte, werde ich mich wieder an Sie wenden.“ „Aber gern. Tun Sie das nur. Ich stehe
Ihnen jederzeit mit Vergnügen zur Verfügung.“
Der angedrohte Artikel wurde nie geschrieben.
Man kann sich des „Antagonismus“ auch so erwehren, dass man zunächst
einmal auf das Niveau des Partners eingeht, sein Interesse dann aber auf ein anderes Ziel lenkt.
Einst kam ein mürrischer Klempner in meine Wohnung, um einen defekten
Wasserhahn durch einen neuen zu ersetzen. Ich fragte ihn, ob er diesen neuen Hahn
nicht vielleicht auf der gegenüberliegenden Seite des Beckens anbringen könne. Er
brummte etwas vor sich hin und meinte dann, das mache zuviel Arbeit und koste obendrein
viel Geld. Ich begriff, dass ich seinen „Antagonismus“ besser nicht auf mich
richten sollte, und sagte nur: „Schon gut. Ich verstehe durchaus, was Sie meinen.“
Später bemerkte ich allerdings so nebenbei: „Ach, wissen Sie, diese Architekten
heutzutage sind doch allesamt die reinsten Idioten. Sehen Sie sich das mal an: Auf
der linken Seite planen sie den Wasserhahn ein und auf der rechten den Griff zum
Aufdrehen. Und die Geschirrschränke sind dort drüben. Das muss doch ein Depp
gemacht haben, der von Tuten und Blasen keine Ahnung hat.“ Der Mann war entzückt,
über einen Stümper schimpfen zu können, und stimmte sogleich in meine Angriffe
ein: Ganz recht, lauter Blödhämmel seien heute am Werk, denen von Rechts
wegen längst das Handwerk gelegt werden müsste. Er steigerte sich derart in Rage,
dass er am Ende den Hausbesitzer anrief, um sich über die schwachsinnigen Installateur
zu beschweren. Der Hausbesitzer seinerseits war von diesem Ausbruch so
betroffen, dass er dem Klempner auf der Stelle die Genehmigung erteilte, den Wasserhahn
auf der andern Seite des Beckens anzubringen, wo ich ihn hatte haben wollen.
So geht's also auch.
Freilich kann man sich den „Antagonisten“ auch im offenen Kampf stellen.
Einmal begegnete ich auf einer Party einem „feindseligen“ Rechtsanwalt, der bei 2,0
heimisch war. Ich bemühte mich, nett und freundlich mit ihm zu plaudern, worauf er
verdrossen und grob reagierte. In einem fort musste er widersprechen, herausfordern
oder mir ins Wort fallen. Ich ließ meine höflichen Manieren fallen und stellte mich auf
seinen „Stil“ ein: „Na, Sie scheinen mir ja höchst streitsüchtig zu sein, wie?“ „Was soll
das heißen? Ich bin ein friedliebender Mensch!“ „Das glauben Sie doch wohl selber
nicht. Sie gehen keinem Händel aus dem Wege, nicht wahr?“ „Das ist ja lächerlich!“
„Keineswegs. Sie lassen ja keinen Menschen zu Wort kommen. Immerzu müssen
Sie sofort das Gegenteil behaupten.“ „Das ist ja gar nicht wahr!“ protestierte er. „Sehen
Sie – da haben wir's schon! Sie lassen mich nicht einen Satz aussprechen, ohne
Ihr Veto einzulegen.“ „Nun mal sachte! Sie irren sich. Ich bin, wie gesagt, für gütliche
Übereinkunft. An Krachmachen liegt mir gar nichts.“ „Diesen Bären können Sie vielleicht
andern Leuten aufbinden, aber nicht mir. Sie würden sich doch zu Tode langweilen,
wenn Sie einmal niemanden mehr fänden, an dem Sie herummeckern könnten.“
In dieser Tonart debattierten wir noch eine Zeitlang weiter. Mein Kontrahent
wurde immer lebhafter und aufgeschlossener. Später meinte er gut gelaunt: „Soll ich
Ihnen mal etwas erzählen? Sie sind ein prächtiges Frauenzimmer.“
„Merken Sie das erst jetzt?“
Wir mussten beide lachen, als er sagte: „Na, wir sind uns also einig.“
Der Verkäufer
Ein guter Verkäufer bedient sich instinktiv der Emotionsskala. Ein Kunde zeigt
sich oft gleichgültig gegenüber seiner neuen Ware. (Schließlich ist er bis zum heutigen
Tag ohne sie ausgekommen, und weshalb soll dies nicht auch in Zukunft so
bleiben?). Wenn Sie sich jedoch auf sein Emotionsniveau einstellen und sein Interesse
zu wecken vermögen, wächst auch Ihre Chance, ihm etwas zu verkaufen. Gehen
Sie auf seine Liebhabereien ein – das wird ihn erfreuen. Ganz beiläufig können
Sie ihn dann fragen, wie viele Wagenladungen Schrauben er denn heute benötige.
Nichts wirkt auf Kollegen so entnervend und ansteckend wie das apathische
Verhalten eines Verkäufers. Stellen wir uns vor, in einer Stadt hat ein lange währender
Streik stattgefunden. Die Wirtschaftslage ist kritisch. Jedermann ist vorsichtig und
wartet ab. Nur wenige Aufträge werden erteilt. Ihre Verkäufer überlegen sich bereits,
ob sie nicht besser zur nächsten Straßenecke marschieren sollen, um mit Sammelbüchsen
Almosen zu erbetteln. Wie können Sie Ihren Leuten moralischen Auftrieb
geben? Leere Versprechungen machen die Situation nur noch schlimmer – hüten Sie
sich also vor schönen Worten, hinter denen nichts steckt. Weit eher können Sie Ihre
Belegschaft aufmuntern, wenn sie offen eingestehen, wie schlimm die Lage ist.
Sagen Sie mit einem tiefen Seufzer etwa: „Na, das ist ja eine böse Bredouille.
Als ich heute bei der Heilsarmee stand, um mein Süppchen in Empfang zu nehmen,
konnte ich mit dem Präsidenten von General Motors sprechen…“ Versetzen Sie sich
in die unangenehme Situation Ihrer in Leute. Sie können dabei ruhig ein wenig übertreiben.
Wer übel dran ist, schätzt nichts mehr als das Wissen, dass auch andere
übel dran sind. Sobald sie eingesehen haben, dass die Verhältnisse eben momentan
schlecht sind, lassen sie ihren Gefühlen freien Lauf. Und das hilft ihnen, in bessere
Stimmung zu kommen. Nun können Sie ein freundlicheres Bild der Zukunft malen.
Die Argumente der andern
Ich spreche absichtlich über die „bewusste“ Anpassung, In weil wir uns ohnehin
ständig anpassen, wenn es uns auch nicht immer bewusst wird. Nicht selten fallen
wir dabei herein. Lernen wir einen Menschen kennen, dann bemühen wir uns zunächst,
so wie er zu empfinden. Zuweilen müssen wir an der Skala hinabklettern, um
gemeinsame Interessen zu entdecken. Tun wir dies jedoch, ohne dessen gewahr zu
werden, dann wird es gefährlich: Am Ende rutschen wir selber auf eine tiefere Empfindungsebene hinab.
Wer einen Menschen bewundert (oder gar als überlegen ansieht), ist besonders
gefährdet, falls dieser Mensch auf niedrigerem Emotionsniveau behaust ist.
Unweigerlich wird er versuchen, uns auf seine Stufe hinabzuzerren.
Angenommen, wir haben eine phantastische Idee, die ein Vermögen einbringen
muss. Also eilen wir zu einem angesehenen Fachmann. Begeistert erzählen wir
ihm, was uns vorschwebt. Der Mann zeigt sich jedoch gänzlich unbeeindruckt. Da wir
nicht imstande sind, ihn zu begeistern, sinken wir automatisch auf der Skala ein Stück in die Tiefe.
!n Schließlich sagen wir uns, dass wir immerhin einen Fachmann vor uns haben,
und wenn der nicht zu beeindrucken ist, kann mit unserer grandiosen Idee etwas
nicht stimmen. Es ist halt schwer, heutzutage mit neuen Ideen ein Vermögen zu
machen – diese Einsicht dämmert uns allmählich. Außerdem holt das Finanzamt einem
ja doch das Geld aus der Tasche. Deprimiert ziehen wir von dannen und wundern
uns darüber, dass wir auf eine solch alberne Idee kommen konnten. Brav spazieren
wir nach Hause und lösen ein Kreuzworträtsel.
Wer sich mit Erfolg auf die Gefühlswelt eines andern Menschen einstellen will,
muss zunächst einmal selbst oben auf der Skala verankert sein. Nur so vermeidet
man das eigene Abgleiten. Und nur so bleibt man, wer man ist. Methoden des „Angriffs“
Leute am unteren Ende der Skala attackieren ihre Mitmenschen durch ihr
Denken, ihr Gefühl und ihr Tun.
Ein „apathischer“ Mensch, der sich seines Verstandes bedient, will uns einreden,
dass alles sowieso sinnlos sei, dass wir eben Versager wären und dass wir keinerlei
Aussichten auf eine anständige Beschäftigung hätten. Unser Leben hätten wir
vergeudet. Wer sollte uns demnach schätzen?
Wer mit Gefühlen arbeitet, kann unter Umständen in der Lage sein, uns
schachmatt zu setzen. Von ihm geht soviel Deprimierendes aus, dass wir verzagen.
Er braucht bloß dazusitzen, und wir merken auch schon, dass es weder für ihn noch
für uns Chancen gibt. Die Welt ist ja auf alle Fälle dem Untergang preisgegeben. Die
Melancholie, die von ihm ausgeht, wirkt lähmend. Ebenso zerstörerisch ist die Handlungsweise der „Apathie“-Menschen.
Ein absolut apathischer Mensch vermag seine Umgebung kaputtzumachen.
Alles, woran wir hängen und was wir für lohnenswert halten, ist ihm gleichgültig. Sind
Sie zu Ihrem Unglück mit einer derart apathischen Frau verheiratet, dann gnade Ihnen
Gott. Sie wird Ihren Chef beleidigen, Ihren Wagen schrottreif fahren, Ihr Heim
verkommen lassen und sich nicht mehr um Ihre Kinder kümmern. Kein Wunder, dass
auch Sie selber dann auf die Stufe der Apathie absacken. (Freilich können Sie
auch – sofern Sie noch soviel Energie besitzen – beim Scheidungsrichter landen.)
Kurzer Prozess
Falls alle Ihre Versuche fehlschlagen, mit einem emotionell „tiefstehenden“
Menschen fertig zu werden, und In- wenn Sie schließlich gewissermaßen auf Ihrem
Zahnfleisch gehen, dann sollten Sie kurzen Prozess machen und die betreffende
Person davonjagen. Sollen denn ausgerechnet Sie den Märtyrer spielen?
Einen Gefallen tun Sie damit keinem Menschen. Lachen Sie, und alle Welt lacht. Wenn Sie
indessen weinen, haben Sie sehr bald einen „Mitleid“-Menschen am Hals, der sich
Ihrer in liebevoller Weise „annehmen“ will.
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