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💝 EMOTIONSSKALA - Drittes Kapitel - Apathie

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★ Ronald Johannes deClaire Schwab:
Drittes Kapitel - https://bodhie.eu/ton
Apathie (0,05)
„Apathie: Teilnahmslosigkeit, Gleichgültigkeit, Abstumpfung.“ Wahrig: Deutsches Wörterbuch
„Ich begreife jetzt manches besser“, sagte mein junger Freund. „Mich stört eigentlich
gar nichts mehr. Ich nehme das Leben, wie's halt kommt. In den letzten Monaten
bin ich viel reifer geworden. Ich hab all die Verrücktheiten aus meinem System
rausgeschmissen und bin jetzt dabei, ernsthaft zu studieren. Das ist doch wirklich
das einzige, was zählt.“
Wäre mir seine Emotionsebene nicht bekannt gewesen, dann hätte mich diese
Beteuerung (gereift zu sein) vielleicht überzeugt. Aber ich musste an einen überschäumenden
Ausbruch seiner Gefühle denken, der ihn vier Monate zuvor hingerissen
hatte. Damals war er nach New York abgereist – voller Vertrauen in sein Talent,
voller Hoffnungen auf den großen Erfolg. Schon bald danach hatte er einen „Knacks“
bekommen. Und zwar in aller Stille. Irgendetwas hatte ihn, so schien es, zerbrochen.
Ein Mensch oder ein Erlebnis hatte seine Träume zerstört. Die philosophische „Erkenntnis,
von der er mir soeben gesprochen hatte, war nichts als ein Schlag ins
Wasser. In Wirklichkeit hatte er nämlich aufgegeben. Ein typischer Fall von Apathie…
Wenn ein Mensch einen schweren Verlust erleiden muss und seine Trauer
nicht ausdrücken kann, dann bleibt ihm – so glaubt er zumeist -gar keine andere
Wahl, als seinen Gram zu unterdrücken. Die Folge: Der Mann verliert sich in Depressionen.
In dieser Phase kann er nun behaupten, ihm sei alles gleichgültig geworden.
Apathie bedeutet: abschalten von allem – vom Lieben, Hoffen, Weinen, Lachen
und Träumen. Jeder Mensch kann nach einem tiefen Schmerz auf eine Empfindungsebene
abgleiten, die unter seinem üblichen Niveau gelegen ist. Auf der Stufe
der Apathie hat er jedoch nicht nur etwas verloren, sondern er weiß dann auch, dass
er nie wieder fähig sein wird, zu siegen.
Apathie ist der allergefährlichste Zustand. Er bringt viele Menschen an den
Rand des Abgrunds, und nicht wenige stürzen sich über die letzte Barriere ins
Nichts. Was hat das leben ihnen denn noch zu bieten? Gibt es überhaupt auf Erden
noch einen Schimmer von Hoffnung und Hilfe Oft ist der Selbstmord der einzige Ausweg.
Im Abgrund der Depressionen
Wenn alle „apathischen“ Menschen in einer Nervenklinik lägen, wären sie
leicht zu identifizieren. Seien Sie aber nicht überrascht, selbst einen brillanten Intellektuellen
auf dieser Stufe anzutreffen. Die Apathie lässt sich in zwei Stufen unterteilen.
Die tiefste (zuweilen „vorgetäuschter Tod“ genannt) ist bloß noch durch eine
kaum wahrnehmbare Schwelle vom körperlichen Sterben entfernt. Ein Mensch liegt
im Bett, hat sich von der Welt und den Menschen zurückgezogen, ist nicht mehr imstande,
für sich selbst zu sorgen, und wird von Halluzinationen gepeinigt. In dieses
Stadium geraten häufig Menschen nach einer schweren Operation oder einem gefährlichen
Unfall. Sie lassen sich verhältnismäßig leicht identifizieren.
Der unter Apathie leidende Mensch von höherem Niveau, welcher dem Treiben
der andern noch nicht ganz entsagt hat, vermag uns hingegen zu täuschen.
Denken Sie an einen, der barfüßig, mit wild wucherndem Bart und im Drogen rausch
durch die Gegend taumelt. Stellen Sie sich aber auch einen Geschäftsmann vor, der
tagsüber durchaus seriös wirkt in seinem eleganten Anzug – ihm werden Sie auf den
ersten Blick wohl kaum ansehen, dass er sich jeden Abend bis zur Besinnungslosigkeit
besäuft. Wieder ein anderer greift zur Pistole und macht kurzerhand Schluss,
weil er die Nase voll hat. Nicht selten passiert es auch, dass ein Mensch entschlossen
die Fahrbahn betritt, wenn die Ampel auf Rot steht: Er hofft, ein anderer werde
ihn so oder so aus der Welt schaffen...
Neulich traf ich einen gesprächigen Menschen, der chronisch niedergeschlagen
ist, auf einer Gesellschaft. Fast jede seiner Bemerkungen zeigte, auf welcher
Stimmungsebene er behaust war. Wir sprachen über Autos. Er tat das Thema mit
den Worten ab: „Das Autogeschäft ist kaputt. Da ist nichts mehr zu holen.“ Als die
Unterhaltung auf die Probleme des Baugewerbes kam, meinte er lapidar: „Der kleine
Unternehmer ist erledigt. Er hat keine Chance mehr.“ Später diskutierten wir über ein
politisches Problem: „Versuchen Sie bloß mal, so etwas zu bereinigen, und schon
sind Sie ruiniert.“ Dieser Mensch war leicht in seiner Kategorie unterzubringen. Nicht
nur sein absoluter Pessimismus, sondern auch der ständige Gebrauch der Worte
„kaputt“, „erledigt“, „tot“ verrieten alles über ihn. Selbstverständlich vermag der apathische
Mensch wie jeder andere seinem Beruf nachzugehen. Doch meist versucht
er, sich auf irgendeine Art und Weise selbst zu zerstören.
Rauschgift und Alkohol
Drogensüchtige und schwere Alkoholiker sind apathische Menschen. Lassen
Sie sich nicht durch den äußeren Schein trügen: durch rührselige Liebenswürdigkeit
und überschwängliches Gehabe. Wie verhält sich ein derartiger Mensch, wenn er
aus seinem Rausch erwacht? Meist sieht das Leben und die Welt für ihn dann so
erschreckend aus, dass er sogleich wieder nach dem „chemischen Ausweg" sucht:
Er begeht also langsam Selbstmord. Er wartet auf den Zusammenbruch, trinkt jedoch
immer weiter, damit er ihn nicht zu fühlen braucht. Bis das Fiasko eintritt, bereitet er
seiner Umgebung Höllenqualen: Wer ihn liebt oder schätzt, bemüht sich verzweifelt,
ihn zurückzuhalten. Doch nur selten ist diesen erschöpfenden Hilfeleistungen Erfolg
beschieden.
Jenseits von Richtig und Falsch
Gelegentlich begegnen wir einem Menschen, der in apathischem Zustand dahindämmert,
jedoch glaubt, er habe das Stadium des „Erhabenseins“ erreicht. Da er
sich außerstande sieht, sein Gefühl der Hoffnungslosigkeit einzugestehen, versucht
er, es durch „tiefsinnige Reden“ zu rechtfertigen. Ich nenne dies „intellektuelle Apathie“.
Alfred, ein Student, erzählte mir von seinem Freund, der Theologie und Philosophie
studiert hatte, bis er zu einer ganz persönlichen „Lebensanschauung“ fand.
Weitschweifig beschrieb er seine Erkenntnisse vom „endgültigen Bewusstsein“, Tief
beeindruckt meinte Alfred: „Wenn du jetzt selber in diesem Stadium bist, wundert es
mich, dass du nicht auch andern zu dieser Erkenntnis verhilfst.“ – „Warum sollte
ich?“ versetzte der Freund. „Die andern sind sowieso alle wie ich.“
Derartige „Erkenntnisse“ scheinen mir jenseits von richtig und Falsch zu sein.
Solche Leute sind ganz einfach apathisch, halten sich indessen für Apostel.
Verantwortung
Es gibt gewisse Philosophien (zum Beispiel die östlichen Religionen), die auf
den höchsten Emotionsniveaus der Skala basieren. Leute auf niedrigeren Gefühlsebenen
können deren Bedeutung (das heißt: ihren Sinn) derartig verdrehen, dass
das Resultat zur völligen Apathie führt. Wer weniger Aktivität, geringeren Kontakt zu
den Mitmenschen, schwächeren Einsatz befürwortet, darf kein Anrecht geltend machen,
Gehör zu finden. All seine „geIehrsamen“ Redereien enden ja doch bloß in der
Apathie.
Manche Doktrinen scheinen geradezu einer apathischen Grundhaltung Vorschub
zu leisten. Der Fatalist klammert sich an den Glauben, alle Geschehnisse seien
vorbestimmt und die Menschen nicht imstande, etwas am Verlauf der Dinge zu
ändern. („Ich bin noch nicht mal für mich selber verantwortlich.“) Die Anhänger vieler
sektiererischer Vereinigungen starren unentwegt in die Sterne, rätseln über Zahlen,
grübeln über Farben, beobachten Kristallkugeln (in denen sich Ihrer Meinung nach
das eigene Schicksal offenbart). Apathische Menschen verfallen nur allzu leicht derartigen
„Lehren“.
Ursache und Wirkung
Wer glaubt, er würde allein von äußeren Einflüssen beherrscht, befindet sich
bereits auf dem besten Weg zur Apathie. Gelassen wird er Verluste hinnehmen und
seufzend murmeln: „Es ist Gottes Wille. Da kann man nichts machen. Es hat halt so
kommen sollen.“ (Das ist kein echter religiöser Standpunkt, denn jede Religion, die
diese Bezeichnung verdient, bietet dem Menschen einen Ausweg: die Erlösung.) Der
ganz in der Apathie befangene Mensch hält sich für geringer als die Sterne und Planeten,
als die erzielten Fußballtore oder die Fliege auf seinem Bein. Wer dagegen
hoch oben auf der Skala angesiedelt ist, sieht sich eher als „Gefahr“ für seine Umwelt.
Er möchte sie gern nach seinem Gusto verändern. Doch je stärker der Glaube
eines Menschen ist, er sei lediglich „Objekt“, desto näher befindet er sich der Apathie
–und über kurz oder lang vielleicht seinem eigenen Untergang.
Eigentum
Menschen mit niedrigem Emotionsniveau haben häufig seltsame Vorstellungen
von Eigentum. In apathischem Zustand jedoch glauben viele Leute, ihnen gehöre
rein gar nichts. Das kann zutreffen. Sie können freilich auch viel besitzen und
dennoch jammernd behaupten: „es hat ja überhaupt keinen Sinn, irgendetwas anzuhäufen.“
Wer so veranlagt ist, meint auch, dass andere Leute sich gleichfalls nicht
mit Habe „belasten“ sollten. Er vergeudet Ihre Zeit, lässt Ihre laufenden Rechnungen
in die Höhe schnellen, das Licht brennen und den Motor laufen, und ab und zu bittet
er Sie auch kaltblütig, doch einmal ganz rasch auf Ihrem Apparat einen Bekannten in
Australien anrufen zu dürfen. Sollten Sie daran Anstoß nehmen, wird er obendrein
noch verblüfft sein und Ihnen den Vorschlag machen, „sich doch endlich von dem
ganzen Kram zu trennen“.
Ein neureicher Filmschauspieler sagte: „Eigentlich sollte ich ja Geld für meine
alten Tage zurücklegen. Aber das schaffe ich einfach nicht. Alles, was ich verdient
habe, rinnt mir unter den Fingern weg, als ob es gar nicht mein wäre. Ich habe keine
Lust, mich abzusichern. Ich lasse die Dinge auf mich zukommen.“
„Ich bin machtlos“
Zuweilen erklären Leute kühn und herausfordernd: „Mich .kann gar nichts erschüttern.“
Das sind die „Verwendungsunfähigen“ Sie leiden unter der extremsten
Form der Apathie.
Emil, auch ein Student, hatte das Gefühl, sein Leben verliere allen Glanz.
Nichts machte ihm mehr Spaß. Seinem Freund Georg teilte er mit, dass er es jetzt
einmal mit einem LSD- Trip versuchen wolle. Beide wussten, dass die Droge lang
anhaltende Geistesstörungen verursachen kann, und bis zu diesem Tage hatten sie
auf dieses Experiment verzichtet. Georg jedoch war gerade auch ziemlich melancholisch
und entgegnete: „Ich stimme zwar dem, was du vorhast, nicht zu, aber ich weiß,
dass ich dich nicht davon abhalten kann.“
Wäre er in einem höheren Gefühlsbereich gewesen, dann hätte es Georg
durchaus vermocht, seinem Freund das Vorhaben auszureden. Zumindest hätte er
einen ernsthaften Versuch unternommen.
Der „abgeklärte“ „Apathie“- Mensch wird beteuern, er sei gelangweilt: „Ich habe
das Leben satt. Mich amüsiert einfach nichts mehr. Was kann man schon tun, um
diese oberflächliche Menschheit ein bisschen aufzuregen?“
Die unwirkliche Wirklichkeit
Ein Jahr nach der ersten Landung amerikanischer Astronauten auf dem Mond
machten Reporter siebenhundert Interviews zu dem Thema: „Was denken Sie über
dieses Ereignis?“ Es stellte sich heraus, dass eine außergewöhnlich große Zahl von
Leuten an der Realität der „Apollo – Mission zweifelte. Besonders bei alten und armen
Menschen war dies der Fall. Eine ältere Frau aus Philadelphia glaubte, die
Mondlandung wäre in der Wüste von Arizona inszeniert worden. Ein stellungsloser
Bauarbeiter aus Miami erklärte: „Ich hab das im Fernsehen betrachtet, aber ich glaub
kein Wort davon. Kein Mensch war jemals auf dem Mond.“ Mehr als die Hälfte aller
Bewohner eines Gettos von Washington hatte Zweifel an der Richtigkeit des „Spazierganges
auf dem Mond“. Ein Mann, der bemüht war, seinen Gefühlsbereich nicht
deutlich werden zu lassen, meinte: „Die versuchen doch nur, uns von unseren Problemen
abzulenken. Die Menschen sind unglücklich, und so' ne Show lässt sie für einen
Moment ihr eigenes Elend vergessen.“
Die Wirklichkeit erscheint einem apathischen Menschen nur selten glaubwürdig.
Der Spieler Auch der wie unter einem Zwang stehende Spieler ist apathisch.
Wenn jemand ständig gewinnt, befindet er sich naturgemäß auf einem höheren Emotionsniveau,
da er in diesem Falle eher Ursache als Wirkung des Spiels ist. Niemand
kann jedoch immer gewinnen. Ein Mann, der am Zahltag das Geld für die Miete und
den Lebensunterhalt am Spieltisch verpulvert, enthüllt durch sein Verhalten seine
abgestumpfte Einstellung gegenüber dem Eigentum: „Besser wär's, ich hätte überhaupt
nichts.“
Vor einiger Zeit unternahm ein Schiff eine Kreuzfahrt nach Südamerika. Plötzlich
erhielt der Funker die Nachricht dass unweit ein Dampfer in Seenot und in Brand
geraten sei. Der Kapitän änderte den Kurs. Achthundert Passagiere und die Besatzung
des brennenden Schiffes rangen in den Wellen um ihr Leben. Sie hatten außer
dem, was sie auf dem Leibe trugen, alles verloren. Sie konnten indessen gerettet
werden. Die Passagiere des zur Hilfe herbeigeeilten Dampfers drängten sich an der
Reeling, um das Schauspiel zu beobachten und – wenn möglich – mit Hand anzulegen.
Einige stellten spontan Kleidung und Quartier für die Opfer bereit. Während der
ganzen Aktion blieb das Spielkasino geöffnet. Ein paar Spieler von der harten Sorte,
die gar nichts umwerfen kann, blieben auf ihren Stühlen kleben – die Augen wie hypnotisiert
auf die Tische gerichtet. Das Drama, welches sich nur wenige Meter vor ihrer
Tür abspielte, berührte sie in keiner Weise. Und dabei war dies ein wirkliches
Drama, das mit dem Nervenkitzel im Kasino nicht im Geringsten zu vergleichen gewesen
wäre. So etwas nennt man Apathie. Kein Mensch auf anderem Emotionsniveau
hätte sich so teilnahmslos angesichts von Leben und Tod benehmen können.
„Der Mensch ändert sich nie“
Wer schon als junger Mensch die Skala zu verstehen gelernt hat, der weiß
auch, ob er den Rat eines Älteren zu beherzigen hat oder nicht. Eines Tages schilderte
mein damals siebzehnjähriger Sohn den Vortrag eines Lehrers, der verkündet
hatte: „Der Mensch ändert sich nie. Er macht immer wieder die gleichen Fehler. Niemals
lernt er etwas dazu. Er wird sich sein Lebtag nicht wandeln.“ „Auf welcher Stufe
der Skala befindet er sich denn?“ fragte ich. Mein Sohn lachte und erwiderte: „Apathie
natürlich.“ Also wieder einer, der seine Bildung und Erfahrung dazu verwendete,
eine Verhaltensweise zu stützen, über die er letztlich selber keine Kontrolle hat.
Durch die Geschichte und anhand von Dokumentarberichten können Sie freilich
jedes Tun auf der Skala rechtfertigen. Wollten wir jedoch alles, was vor uns geschehen
ist, voll und ganz als „Beweis für die Richtigkeit“ akzeptieren, dann brauchte
sich kein Lehrer mehr mit dem Unterricht abzuplacken, kein Wissenschaftler müsste
mehr mit Reagenzgläsern hantieren, und auch ich wäre heute im Bett geblieben.
Zusammenfassung
Gleichgültig, wie begabt er sein mag: kein apathischer Mensch vermag mehr
zu sein als ein Imitator jener lebenssprühenden Menschen, die auf den höheren Stufen
anzutreffen sind.
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