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Das Motiv

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★ Ronald Johannes deClaire Schwab:
Das Leben kann man am besten verstehen, wenn man es mit einem Spiel vergleicht. Da wir bei vielen Spielen Aussenstehende sind, können wir diese  sachlich und unparteiisch betrachten. Ständen wir dem Leben als Aussenstehende gegenüber, anstatt darin verwickelt und versteckt zu sein, würden wir  es etwa so sehen, wie wir jetzt andere Spiele von unserem günstigen Beobachtungspunkt aus sehen. Trotz der Vielzahl an Leiden und Schmerzen,  Elend, Kummer und Mühsal, die im Leben vorhanden sein können, ist der Sinn des Daseins derselbe wie bei einem Spiel – nämlich: Interesse,  Wettstreit, Aktivität und Besitz. Die Wahrheit dieser Behauptung wird dadurch nachgewiesen, dass man die Spielfaktoren untersucht und sie  anschliessend auf das Leben überträgt. Wir werden dann finden, dass keiner dieser Faktoren im Leben fehlt. Unter Spiel verstehen wir den Wettstreit  zwischen zwei Personen oder zwei Mannschaften (Teams). Wenn wir Spiel sagen, dann denken wir an Spiele wie Fussball, Tennis, Schach oder an  einen ähnlichen Zeitvertreib. Vielleicht hat es Sie schon einmal seltsam berührt, dass Menschen auf dem Spielfeld nur des »Amüsements« wegen  körperlichen Schaden riskieren. So mag es Ihnen ebenso seltsam vorkommen, dass sich Menschen am Leben beteiligen oder sich ins »Spiel des  Lebens« stürzen, mit dem Risiko von Sorgen, Mühsal und Schmerz, nur um etwas zu tun zu haben. Offenbar gibt es keinen grösseren Fluch als völligen  Müssiggang. Natürlich gibt es auch die Situation, wo ein Mensch ein Spiel weiterspielt, an dem er nicht mehr interessiert ist. Wenn Sie sich nur einmal in  Ihrem Zimmer umsehen, um Dinge zu entdecken, an denen Sie nicht interessiert sind, werden Sie etwas Bemerkenswertes feststellen. Sie werden  schnell herausfinden, dass sich in dem Zimmer nichts befindet, was nicht Ihr Interesse besässe. Sie interessieren sich für alles. Nichtinteresse gehört  aber auch zu den Spielmechanismen. Will man beispielsweise etwas verbergen, braucht man nur zu erreichen, dass sich niemand für den Ort  interessiert, an dem der Gegenstand versteckt liegt. Nichtinteresse ist nicht eine unmittelbare Folge von erloschenem Interesse. Nichtinteresse ist eine  eigenständige, nützliche Sache. Man kann es fühlen; es ist tatsächlich vorhanden. Durch das Studium der Elemente (Faktoren) von Spielen  (Wettstreiten) kommen wir in den Besitz der Elemente des Lebens. Das Leben ist ein Spiel. Ein Spiel besteht aus Freiheit, Schranken und Absichten.  Das ist wissenschaftlich bewiesen, nicht nur eine Beobachtung. Freiheit gibt es da, wo es Schranken gibt. Alles begrenzende Schranken und absolute  Freiheit sind gleichermassen Umstände, unter denen kein Spiel existiert. Beide Situationen wären gleichermassen grausam und sinnlos. Grosse  revolutionäre Bewegungen schlagen fehl. Sie versprechen unbegrenzte Freiheit. Das ist der Weg zum Misserfolg. Nur einfältige Phantasten faseln von  unendlicher Freiheit. Nur der Ängstliche und der Unwissende sprechen über endlose Schranken und bestehen auf ihnen.
Wenn sich das Verhältnis zwischen Freiheit und Schranken zu sehr auf eine Seite verlagert, wird der Mensch unglücklich. »Freiheit von« ist in Ordnung, solange es die Möglichkeit gibt, die Freiheit etwas zu haben. Endloses Trachten nach der Freiheit von ist eine perfekte Falle, eine Furcht vor allen möglichen Dingen. Schranken bestehen aus hemmenden (einschränkenden) Ideen, Raum, Energie, Massen und Zeit. Totale Freiheit wäre gänzliches Fehlen dieser Dinge; aber es wäre auch eine Freiheit ohne Denken und Handeln, ein unglücklicher Zustand des absoluten Nichts. Wenn der Mensch durch zu viele Schranken fixiert ist, sehnt er sich nach Freiheit. Ist er dagegen plötzlich völliger Freiheit ausgeliefert, wird er ziellos und unglücklich. Er braucht einen Gradienten (ein graduelles oder stufenweises Herangehen an etwas). Freiheit existiert zusammen mit Schranken. Sobald Schranken und Freiheit bekannt sind, gibt es Leben, Glücklichsein und ein Spiel. Die Einschränkungen, die einem Menschen durch eine Regierung oder eine Arbeitsstelle auferlegt werden, geben ihm seine Freiheit. Ohne bekannte Schranken ist der Angestellte ein Sklave, der bei all seinen Handlungen zu angstvoller Ungewissheit verurteilt ist. Es gibt drei Fehler, die leitende Angestellte der Geschäftswelt und führende Beamte des Staates begehen können, wodurch sie Chaos in ihrem Bereich anrichten würden.
Sie können:
1.  scheinbar grenzenlose Freiheit gewähren
2.  scheinbar zahllose Schranken auferlegen
3.  weder Freiheit noch Schranken eindeutig bestimmen
Die Fähigkeit zu führen besteht also darin, fähig zu sein, den Untergebenen das richtige Gleichgewicht zwischen Freiheit und Schranken  aufzuerlegen und es durchzusetzen und dabei Freiheit und Schranken genau festzulegen und konsequent einzuhalten. Wenn solch ein leitender Angestellter zusätzlich noch Initiative und Zielstrebigkeit zeigt, wird sich auch seine Abteilung durch Initiative und Zielstrebigkeit auszeichnen. Ein Angestellter, der nur auf Freiheit pocht und auf ihr beharrt, wird zum Sklaven werden. Wenn er die obigen Tatsachen kennt, muss er auf einem vernünftigen Gleichgewicht zwischen Freiheit und Schranken bestehen. Es gibt verschiedene Einstellungen, die zum Glücklichsein führen. Die Einstellung, die ausschliesslich auf Freiheit pocht, kann nur Unglück bringen. Es wäre besser. Gedankengänge zu entwickeln, mit deren Hilfe man nach neuen Wegen zum Eingeschränktsein und Einschränkungen sucht, als schliesslich unter totale Versklavung zu fallen, die entsteht, wenn man nur auf Freiheit baut. Der Mensch, der bereitwillig Hindernisse und Schranken akzeptiert und sich nicht vor ihnen fürchtet, ist frei. Wer immer nur gegen Schranken und Hindernisse kämpft, wird gewöhnlich gefangen. Wie man bei jedem Spiel beobachten kann, stossen Absichten gegen Absichten. Bei fast jedem Spiel, das von zwei Teams auf dem Spielfeld ausgetragen wird, gibt es die Situation Absicht gegen Absicht. Jede Mannschaft möchte bei der anderen Tore schiessen. Ihre Absichten stehen im Kampf gegeneinander, und dieser Kampf der Absichten ist es, der ein Spiel ausmacht. Aus dem Kampf der Absichten ergibt sich für uns das, was wir Probleme nennen. Ein Problem besteht aus zwei oder mehreren Absichten, die gegeneinander  gerichtet sind. Gleichgültig, welchem Problem Sie gegenüberstehen oder gegenüberstanden, der grundlegende Aufbau jenes Problems ist  Absicht gegen Absicht. Wir haben durch tatsächliche Untersuchungen entdeckt, dass ein Mensch unter Problemen zu leiden beginnt, wenn er zu wenige davon hat. Es gibt eine alte Weisheit, die sagt: »Soll etwas erledigt werden, gib es einem beschäftigten Mann.« Ebenso: »Wenn du  einen guten Partner oder Freund willst, dann suche einen, der imstande ist, viele Probleme zu haben.
« Wir erleben die Eigentümlichkeit, dass es eine grosse Anzahl neurotischer Verhaltensweisen in wohlhabenden Familien gibt. Diese Leute haben sehr wenig zu tun und haben sehr wenige Probleme.  Die Grundprobleme Ernährung, Kleidung und Obdach sind für sie bereits gelöst. Wenn es wahr wäre, dass das Glücklichsein des Menschen allein von  seiner Freiheit abhinge, so könnten wir annehmen, dass diese Leute glücklich wären.
Sie sind es aber nicht.
Was macht sie unglücklich?
Es ist der Mangel an Problemen. Unglücklich ist der Mensch, der andauernd Betrachtungen darüber anstellt, wie er frei werden kann. Man sieht das  beispielsweise an dem Büroangestellten, der ständig versucht, sich vor der Arbeit zu drücken. Obwohl er eine Menge Freizeit hat, kann er sich  überhaupt nicht daran erfreuen. Er versucht, den Kontakt mit Leuten, Gegenständen, Energien und Räumen zu meiden. Schliesslich wird er in einer Art  Lethargie (Teilnahmslosigkeit, Interesselosigkeit) gefangen. Könnte dieser Mann nur seine Einstellung ändern und beginnen, sich darüber »Sorgen zu  machen«, wie er mehr Arbeit erledigen könnte, würde er sichtlich glücklicher werden. Wer immer nur daran denkt, wie er aus bestimmten Situationen  wieder herauskommt, wird sich elend fühlen. Jemand, der sich bemüht und versucht, an allem teilzunehmen, hat eine viel grössere Chance, glücklich zu  werden. Natürlich gibt es auch den Fall, in dem man  gezwungen wird, an Spielen teilzunehmen, an denen man kein Interesse hat.
Ein Krieg, zu dem man eingezogen wird, ist ein ausgezeichnetes Beispiel dafür. Man ist nicht an den Zielen des Krieges interessiert und stellt dennoch fest, dass man in ihm kämpft. Es muss also noch ein weiteres Spielelement geben, und das ist die »freie Entscheidungsfähigkeit«. Man könnte also sagen, dass das Leben ein Spiel ist und dass die Fähigkeit, es zu spielen, aus Toleranz für Freiheit und Schranken besteht und einem Einblick in Absichten, wobei Entscheidungsfreiheit über Teilnahme gewährleistet sein muss. Diese vier Elemente – Freiheit, Schranken, Absichten und Entscheidungsfreiheit – sind die leitenden Faktoren des Lebens.
Nur zwei Faktoren stehen noch darüber, die aber beide mit ihnen verknüpft sind. Der erste ist die Fähigkeit zum Erschaffen – natürlich mit dem dazugehörigen Gegenstück, der Fähigkeit zum Nichterschaffen, der zweite Faktor ist die Fähigkeit, ein Postulat aufzustellen (eine Betrachtung anzustellen, etwas zu sagen und es wahr zu machen).
Das ist also im grossen und ganzen das Leben.
Diese Elemente werden benutzt, um das Leben zu verstehen, es richtig einzustellen und es weniger verwirrend zu machen.

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