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DER TOD DES BEWUSSTSEINS
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★ Ronald Johannes deClaire Schwab:
DER TOD DES BEWUSSTSEINS
Wo hört jemand auf zu überleben und beginnt zu unterliegen? Der Scheidepunkt ist nicht der Tod, wie wir ihn kennen. Es wird durch das, was man den Tod des Bewusstseins der Person nennen könnte, markiert. Die grösste Waffe des Menschen ist seine Vernunft. Ohne die Zähne, den Schutzpanzer und die Klauen so vieler anderer Lebensformen hat der Mensch sich auf seine Fähigkeit, vernünftig zu denken, verlassen, um sein Überleben zu fördern. Die Wahl der Denkfähigkeit als Hauptwaffe ist eine glückliche Wahl. Sie hat dem Menschen die Herrschaft über die Erde verliehen. Vernunft ist eine ausgezeichnete Waffe. Das Tier mit seinen Zähnen, mit seinem Schutzpanzer, mit seinen langen Klauen ist auf Warfen festgelegt, die es nicht ändern kann. Es kann sich an eine sich verändernde Umgebung nicht anpassen. Für das Überleben ist es ungeheuer wichtig, sich zu ändern, wenn die Umgebung sich ändert. Jede ausgestorbene Rasse starb deshalb aus, weil sie sich nicht ändern konnte, um eine neue Umgebung zu kontrollieren. Die Fähigkeit, vernünftig zu überlegen, behebt dieses Versagen in einem deutlichen Masse, da der Mensch neue Werkzeuge, neue Waffen und eine ganz neue Umwelt erfinden kann. Die Vernunft erlaubt ihm, sich zu verändern, um neuen Situationen zu entsprechen. Und die Vernunft erhält ihm die Kontrolle über neue Umgebungen. Jedes Tier, das sich einfach anpasst, um seiner Umgebung zu entsprechen, ist zum Untergang verurteilt. Umgebungen verändern sich schnell. Tiere, die die Umgebung kontrollieren und verändern können, haben die beste Überlebenschance. Die einzige Methode, mit der Sie einen Kollektivstaat organisieren können, ist, die Menschen zu überzeugen, dass sie sich wie Tiere auf eine gleichbleibende Umgebung einstellen und sich ihr anpassen müssen. Den Menschen muss das Recht abgesprochen werden, ihre Umgebung als Einzelpersonen zu kontrollieren. Dann können sie reglementiert und zu Gruppen zusammengetrieben werden. Sie werden dann besessen, sind nicht Besitzer. Die Fähigkeit zur Vernunft und das Recht dazu müssen ihnen genommen werden, denn im Mittelpunkt der Vernunft steht das Recht, sich über seine eigene Umgebung selbst ein Urteil zu bilden. Die Naturgewalten bekämpfen den Menschen, und der Mensch bekämpft den Menschen. Die Hauptzielscheibe der Feinde der Menschheit oder eines Menschen ist sein Recht und seine Fähigkeit zur Vernunft. Die rohen und stümpernden Kräfte der Elemente, Sturm, Kälte und Nacht üben Druck aus, fordern heraus und zerschmettern dann vielleicht sowohl die Vernunft als auch den Körper. Aber genauso, wie dem Tod immer Bewusstlosigkeit vorausgeht, selbst wenn es sich um Augenblicke handelt, so geht dem Tod des Organismus der Tod der Vernunft voraus: Dieser Vorgang kann während einer langen Zeitspanne geschehen, sogar ein halbes Leben lang, sogar noch mehr. Haben Sie einmal beobachtet, mit welch äusserst wacher Bereitschaft ein junger Mann den Kräften, die sich dem Leben entgegenstellen, die Stirn bietet? Und haben Sie einen anderen in hohem Alter beobachtet? Sie werden feststellen, dass seine Fähigkeit zu vernünftiger Überlegung gelitten hat. Er hat schwer erworbene Erfahrungen gewonnen, und auf der Grundlage dieser Erfahrungen versucht er von den mittleren Jahren an durchzukommen. Es ist eine Binsenwahrheit, dass die Jugend mit wenig Erfahrung schnell denkt und dass das Alter auf grosser Erfahrungsgrundlage langsam denkt. Die Vernunft der Jugend ist sehr weit davon entfernt, immer richtig zu sein, denn Jugend versucht vernünftig zu urteilen, ohne angemessene Daten zu besitzen. Nehmen wir an, wir hätten einen Menschen, der sich all seine Fähigkeit, vernünftig zu denken, bewahrt hat und dazu eine grosse Menge Erfahrung hätte. Nehmen wir an, unsere Graubärte könnten mit all dem Enthusiasmus und der Vitalität der Jugend denken und hätten ausserdem ihre gesamte Erfahrung. Das Alter sagt zur Jugend: »Du hast keine Erfahrung!« Die Jugend sagt zum Alter: »Du hast keine Phantasie. Du willst neue Ideen weder akzeptieren noch untersuchen!« Offensichtlich wäre es eine ideale Einrichtung, wenn man die Erfahrung des Alters und die Vitalität und Phantasie der Jugend besässe. Vielleicht haben Sie zu sich selbst gesagt: »Mit all meiner jetzigen Erfahrung, was gäbe ich nicht für etwas von dem Enthusiasmus, den ich einmal hatte.« Oder vielleicht haben Sie alles damit entschuldigt, dass Sie »Ihre Illusionen verloren« haben. Aber Sie sind nicht sicher, dass es Illusionen waren. Sind Freude am Leben, schneller Enthusiasmus, ein Wunsch und Wille zum Leben, ein Glaube an die Bestimmung Illusionen? Oder sind sie Symptome eben dieses Stoffes, aus dem kraftvolles Leben gemacht ist? Und ist ihr Nachlassen nicht ein Symptom des Todes? Wissen zerstört einen Lebenswillen nicht. Schmerz und Verlust der Selbstbestimmung zerstören diesen Willen. Das Leben kann schmerzhaft sein. Der Zuwachs an Erfahrung ist oft schmerzhaft. Das Zurückbehalten dieser Erfahrung ist wesentlich. Aber ist es nicht trotzdem Erfahrung, auch wenn sie den Schmerz nicht enthält? Angenommen, Sie könnten aus Ihrem Leben den ganzen körperlichen und sonstigen Schmerz auslöschen, den Sie angesammelt haben. Wäre es so fürchterlich, sich von einem gebrochenen Herzen, einer psychosomatischen Krankheit, von Ängsten, Sorgen und Schrecken zu trennen? Angenommen, ein Mensch hätte noch einmal eine Chance, mit allem, was er weiss, dem Leben und dem Universum wieder ins Auge zu sehen und zu sagen, dass es besiegt werden könne. Erinnern Sie sich an einen Tag, als Sie jünger waren. – Sie wachten auf und fanden strahlenden, funkelnden Tau auf den Gräsern und Blättern und sahen die goldene Sonne, wie sie auf eine glückliche Welt herabschien? Erinnern Sie sich, wie schön und grossartig es einmal war? Der erste süsse Kuss? Die Wärme einer wahren Freundschaft? Die Vertrautheit einer Fahrt im Mondenschein? Wodurch wurde die Welt zu einer anderen als einer strahlenden Welt? Das Bewusstsein der Welt um einen herum ist keine absolute Sache. Zu verschiedenen Zeiten im Leben kann man sich des Glanzes, der Farbe und der Freude bewusster sein als zu anderen. Man kann die strahlende Realität der Dinge in der Jugend leichter empfinden als im Alter.
Und ist das nicht so etwas wie eine Verstanderung des Bewusstseins, eine Verstanderung der Bewusstheit?
DIE BETONUNG LIEGT AUF FÄHIGKEIT
Wenn wir »Leben« sagen, dann wissen wir alle mehr oder weniger, worüber wir sprechen; aber wenn wir dieses Wort »Leben« praktisch verwenden, dann müssen wir die Ziele und das Verhalten und insbesondere die Formeln untersuchen, die vom Leben entwickelt worden sind, um das Spiel zu haben, das »Leben« genannt wird. Wenn wir »Leben« sagen, meinen wir Verstehen; und wenn wir »Verstehen« sagen, dann meinen wir Affinität, Realität und Kommunikation. Alles zu verstehen würde bedeuten, auf der höchsten Stufe potentieller Aktion und Fähigkeit zu leben. Die Qualität des Lebens existiert in der Gegenwart von Verstehen – folglich in der Gegenwart von Affinität, Realität und Kommunikation. Leben würde in einem weitaus weniger aktivem Masse auf der Ebene des Missverstehens, der Unbegreiflichkeit, der psychosomatischen Krankheit und körperlicher und geistiger Unfähigkeit existieren. Denn Leben ist Verstehen, es versucht zu verstehen. Wenn es sich wendet und sich dem Unbegreiflichen gegenübersieht, dann fühlt es sich gehindert und enttäuscht. Wenn man zwanghaft und ohne Verstehen auf einen Zustand der Unbegreiflichkeit festgelegt wird, dann ist man natürlich verloren. Wir entdecken somit, dass die einzige Falle, in die das Leben geraten könnte, darin besteht, Dinge zu tun, ohne zu wissen, dass es sie tut. Man kann immer erkennen, dass seine Fähigkeit sich steigern kann, denn in Richtung einer Steigerung der Fähigkeit liegt grösseres Verstehen. Fähigkeit ist ganz und gar abhängig von einem grösseren und besseren Verstehen des Bereiches oder Gebietes, in dem man fähiger werden möchte. Versucht man Unfähigkeit zu verstehen, schaut man natürlich auf geringere Verständlichkeit und geringeres Verstehen und versteht also abnehmende Fähigkeit auch nicht annähernd so gut, wie man anwachsende Fähigkeit versteht. In Abwesenheit des Verstehens von Fähigkeit bekommen wir eine Furcht vor dem Verlust der Fähigkeit, und das ist einfach die Furcht vor einer unbekannten oder einer vermeintlich unwissbaren Sache. Denn geringere Fähigkeit beinhaltet geringere Bekanntheit und geringeres Verstehen. Ein Teil von Verstehen und Fähigkeit ist Kontrolle. Natürlich ist es nicht notwendig, überall alles zu kontrollieren, wenn man es vollständig versteht. Bei geringerem Verstehen der Dinge jedoch und natürlich mit der Vorstellung, ein Spiel zu haben, wird Kontrolle ein notwendiger Faktor. Die Struktur von Kontrolle ist Starten, Stoppen und Verändern, und das ist ebenso wichtig zu wissen wie Verstehen selbst und wie das Dreieck, aus welchem Verstehen zusammengesetzt ist: Affinität, Realität und Kommunikation. Die Ärzte und Krankenschwestern in einer Quarantänestation haben ein gewisses Ausmass an Kontrolle über die Krankheiten, die sie vor sich sehen. Erst wenn sie ihre Unfähigkeit zu erkennen beginnen, diese Krankheiten oder diese Patienten zu heilen, fallen sie ihnen selbst anheim. Angesichts der Tatsache, dass wir in den vergangenen Jahrhunderten sehr erfolgreich in der Heilung ansteckender Krankheiten gewesen sind, können sich Ärzte und Krankenschwestern ungestraft in Quarantänestationen bewegen.
Die Bekämpfer der Krankheit, die ein gewisses Mass an Kontrolle über sie haben, haben keine Furcht mehr vor der Krankheit, und sie kann ihnen deshalb nichts anhaben. Natürlich gäbe es hierzu ein Verständnisniveau des Körpers, das noch immer Furcht widerspiegeln könnte, aber wir kämen zu der gleichen Aussage. Menschen, die imstande sind, etwas zu kontrollieren, brauchen keine Angst davor zu haben und erleiden keine nachteiligen Wirkungen davon. Menschen, die Dinge nicht kontrollieren können, können schlechte Wirkungen von diesen Dingen erhalten. Der gemeinsame Nenner aller Neurosen, Psychosen, Aberration (eine Abweichung von rationalem Denken oder Verhalten) und psychosomatischen Krankheiten ist »kann nicht arbeiten«. Jede Nation, in der diese Dinge häufig vorkommen, erfährt eine Verstanderung der Produktion und ihrer Lebenserwartung. Unter den Unfähigen befindet sich der Kriminelle, der unfähig ist, an den anderen zu denken, unfähig, seine eigenen Aktionen zu bestimmen, unfähig. Befehlen zu folgen, unfähig,Dinge dazu zu bringen, dass sie wachsen, und unfähig, den Unterschied zwischen gut und böse zu bestimmen, unfähig, in irgendeiner Weise an die Zukunft zu denken. Jeder hat etwas davon; der Kriminelle hat alles davon. Und was macht man gegen: »Wie schlimm es ist«?
Ist jemand längere Zeit von anderen oder von Gewaltanwendung abhängig, damit etwas dagegen getan wird, dann wird er scheitern. Von seinem Standpunkt aus ist er selbst der einzige, der mehr Leben, mehr Verstehen, mehr Toleranz und mehr Fähigkeit in die Umgebung hineinbringen kann. Einfach, indem eine Person in einem Zustand höheren Verstehens existiert, einfach, indem sie fähiger ist, könnte sie für diejenigen um sie herum viele ihrer Probleme und Schwierigkeiten lösen. Die Betonung liegt auf Fähigkeit.
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