● 1. Kategorie Prolog > ★ 1.c
✨ Stimmungen des Seins-Traurigkeit
(1/1)
★ Ronald Johannes deClaire Schwab:
Wir können ihren Gemütszustand freilich an ihren Mienen ablesen: hängende Mundwinkel, melancholisch blickende Augen.
Schon der Ton ihrer Stimme verrät sie und das mehr oder weniger oft zu hörende Seufzen. Wenngleich sie also nicht immer unbedingt zu weinen brauchen, sind sie doch ständig weinerlich gestimmt. Nur die Vergangenheit zählt Wer sein Gemütsleben auf der Stufe führt, wandelt über einen schmalen Grat: Er kann weder hinauf noch hinunter. Sein Stimmungsniveau bleibt sich stets gleich. Er vermag weder Hilfe zu spenden, noch welche anzunehmen. Ihm bleibt nur eines übrig: sich fest anzuklammern. Vor allem klammert er sich an die Vergangenheit. Er sammelt Souvenirs aus besseren Zeiten: ein Theaterprogramm, einen Handschuh, den sie trug, als er sie zum ersten Male küsste, gepresste Blumen, den alten Sessel von Tante Melitta und so weiter und so fort. Außer Gegenständen sammelt der chronisch traurige Mensch auch Erinnerungen. Sehr häufig spricht er von vergangenen Tagen. Er hängt der guten alten Zeit nach. Ein Mann trauert um seinen Hund, der an Altersschwäche starb. Er hebt die Leine auf und wirft auch den Fressnapf nicht fort. Er hängt Fotos von seinem Tier an die Wände und gedenkt wehmütig der schönen Tage, die beide gemeinsam verbracht haben. "Mein Hund war der beste Freund, den ich jemals hatte. Immer war er bei mir. Nie hat er mich verlassen“ Schließlich glaubt der Mann, er habe alles verloren. Wenn Sie ihm nun den vernünftigen Rat geben, sich doch einen andern Hund anzuschaffen, dann wird er abwehren: "Nein, nein. Kein Hund kann meinen alten Bello ersetzen. Ich möchte mich nicht an einen neuen gewöhnen. Außerdem wird der ja auch eines Tages sterben.“ Einsamkeit und Sehnsucht nach dem Vergangenen sind Anzeichen von Gram. Wer seine ehemalige Schule wieder sieht, seine Heimatstadt oder sein früheres Bürohaus, findet alles verändert. Nichts ist mehr so, wie es einmal war. Er wird traurig. Wehmut überkommt ihn. Immer dann, wenn ein Mensch schweren Herzens etwas aufgeben muss, zeigt sein Widerstreben, sich von dem Vergangenen zu trennen, eine mehr oder weniger tiefe Traurigkeit.
Aufrichtigkeit
Die Mitteilungen von chronisch traurigen Menschen sollte man mit einer gewissen Vorsicht aufnehmen. Wer um Mitleid bettelt, ist imstande, die tollsten Geschichten zu erzählen, um seine missliche Lage zu rechtfertigen. Einmal hörte ich zwei Jungen zu, die sich mit einem Mädchen unterhielten, das dauernd die „traurige“ spielte. Sie beklagte sich über ihre Mutter und jammerte: "Sie schlägt mich.“ Betroffen und mitleidig fingen die Jungen an, sie auszufragen: „Im Ernst? Wie oft hat sie dich denn schon verhauen?“ „Na, einmal bisher.“ „Ach. Und wie oft hat sie dich denn dabei geschlagen?“ „Einmal.“ „Hat sie dich mit der Faust oder mit der flachen Hand gehauen"!“ „Na ja, mit der flachen Hand, aber es hat ganz schön wehgetan.“ „Also hat sie dich bloß einmal geschlagen. Stimmt das?“ „Ja, schon, aber es hat wirklich furchtbar wehgetan.“
Das ist der Grad der Ehrlichkeit bei "Gram - Traurigkeit". Aus einer Ohrfeige werden Schläge. Der chronisch bekümmerte Mensch sucht immerfort Gründe, um seine Stimmung verständlich zu machen. Eine Witwe beispielsweise piesackte ihren Mann mit ihrem Gekeife so lange, bis er starb. Kaum war er unter der Erde, als sie ihn auch schon als Muster eines Ehemannes zu glorifizieren begann. Dadurch erschien ihr Verlust größer, und das wiederum half ihr zur Rechtfertigung ihrer trübsinnigen Gemütslage. „Das Leben hat mich schwer mitgenommen“.
Heiratet jemand von hohem Emotionsniveau einen ewig traurigen Partner, dann wird er seinen Schritt bald bereuen, denn wie soll er ihn jemals aus seiner Misere befreien?
Eine Ehefrau auf Stufe erwartet viel Zuneigung und die ständig wiederholte Beteuerung der Liebe. Wird sie indessen diesen Versicherungen Glauben schenken?
Wenn sie nur die geringste Zurückweisung und Ablehnung fühlt (ob mit Recht oder nicht), wird ihre Lebensspirale sinken. Fortan muss man sie als Schmarotzerin bezeichnen, die im Zustand der Abhängigkeit vegetiert. Gibt der Mann schließlich auf und packt sein Bündel, dann gilt er als herzloser Schuft. Was hat dieser Mann ihr nicht alles angetan!
So oder ähnlich wird sie nun unermüdlich jammern, um das Mitleid anderer zu erregen. Gemeinsam geht's besser Zuweilen schließen sich Menschen dieser Art zu Gruppen zusammen und fordern Mitleid und Hilfe. Sie selbst jedoch denken gar nicht daran, ihrerseits etwas zu tun.
Nichts genügt ihnen: Kein Entgegenkommen stellt sie zufrieden. Unisono geht das Gejammere weiter. Solche Personen sind introvertiert. Ihr Benehmen ist unverantwortlich. Barmherzigkeit, Mitgefühl und Zuneigung saugen sie geradezu wie ein Schwamm in sich auf. Ihr Hunger nach Nächstenliebe ist unersättlich. Bessern aber werden sie sich nie.
(Die wahre Nächstenliebe äußert sich darin, einen anderen Menschen auf eine höhere Empfindungsstufe zu heben – nicht aber, ihm den Kopf zu streicheln und ihn mit Dauerlutschern zu versehen.)
Besitztümer
Ich kannte einige traurige Vögel, die ihr Nest tadellos in Schuss hielten, weil sie dazu erzogen worden waren, auf eine saubere Umgebung zu achten. Wäre ein derartiger Mensch freilich nicht dazu erzogen worden, dann würde es nicht lange dauern, bis sich sein Hang zum Abgleiten lassen offenbarte. Bald wären ihm zerschlissene Kleider ein willkommener Vorwand, um Mitleid zu wecken. Er möchte es sich nicht „erlauben“, Besseres zu besitzen.
--- Zitat ---Manchmal sieht man ein Elendsviertel, das wiederaufgebaut wurde, in Kürze jedoch abermals verkam.
Die Ursache: Abgestumpfte Menschen, denen alles gleichgültig ist, hatten darin Wohnung genommen.
Das Äußere eines Menschen In diesen niedrigen Emotionsbereichen finden wir das Mädchen, das eigentlich recht hübsch sein könnte, „wenn sie nur etwas aus sich machen wollte“. Das aber will sie gerade nicht: Sie lehnt es ab, sich zu schminken. Sie hat Probleme mit ihrer Frisur. Sie kauft sich die unvorteilhaftesten Kleider. Wenn Sie einer Frau begegnen, deren Kleider schon vor zwanzig Jahren unmodern waren, können Sie getrost wetten, dass sie ein chronisch trauriger Mensch ist.
--- Ende Zitat ---
Sicher sind es jene Kleider, die gerade schick waren, bevor ihr Mann starb.
Auch so kann man dem Verlorenen nachhängen.
Einmal kannte ich zwei Schwestern, die sich in Größe, Haarfarbe und Aussehen ziemlich glichen. Sie ähnelten sich so sehr, dass sie Zwillinge hätten sein können. Dennoch waren sie leicht zu unterscheiden: Die eine stand auf hohem Emotionsniveau und wirkte demnach elegant und gepflegt, während ihre Schwester sich sehr schlicht kleidete, an eine Maus erinnerte und viel älter erschien, als sie war. Als ich eine Bemerkung über die große Ähnlichkeit machte, antwortete mir die Ungepflegte: „Das mag schon sein, aber bloß Maria hat die Schönheit geerbt.“ Diese Worte verrieten so gut wie alles über das Gefühlsleben des Mädchens. Sie hätte genauso großartig aussehen können wie ihre Schwester. Sie hatte sich jedoch entschlossen, unattraktiv zu sein: Sie heischte um Mitleid, denn das Leben hatte ihr übel mitgespielt. Der chronisch traurige Mensch bevorzugt Anteilnahme in Form von Mitleid statt Bewunderung. Freundschaft Derartige Typen kennen wir wohl alle: Der so genannte Freund wirkt als Hemmschuh. Er hängt sich an Sie wie eine Klette. Er wünscht Ihren Rat, Ihre Leitung, Ihre Fürsorge. Da er abhängig ist wie ein Kind, lehnt er sich buchstäblich an Sie. Wenngleich er Demut vorschützt, ist er überzeugt davon, dass er ein „ganz besonderer“ Mensch sei. Demnach ist es die Aufgabe der andern, sich seiner anzunehmen. Er verliert seine Arbeit, weil er sie nie richtig gemacht hat. Von Ihnen jedoch erwartet er, dass Sie ihn durchfüttern. Man kündigt ihm die Wohnung, weil er die Miete nicht bezahlt hat. Er hingegen erzählt in herzzerreißendem Ton, die Vermieterin sei grausam. Folglich liegt es nun natürlich bei Ihnen, diesen armen Tropf unterzubringen. Seine Freunde wollen nichts mehr von ihm wissen. Selbstverständlich ist es nun Ihre Pflicht, ihn in seiner Verlassenheit zu trösten. Er stiehlt Ihnen die Zeit, Güte, Kraft, Geld. „Sie lassen mich ja nicht!“ Der immerzu in seinem Gram befangene Mensch erweckt den Anschein, als gebe er sich selber stets die Schuld an allen Widrigkeiten seines Daseins. Wäre er jedoch imstande, wirklich die Verantwortung für sein destruktives Treiben zu tragen, dann könnte er auch auf der Skala steigen. ächte er es über sich, offen einzugestehen, dass er im Büro Geld unterschlagen hat und seine Entlassung demnach kein Wunder sei, dann ginge es ihm vermutlich besser. Doch eben dies will ihm nicht über die Lippen. Stattdessen meint er verdrießlich: "Ich habe wirklich mein Bestes versucht. Aber sie lassen mich ja nie richtig zum Zuge!" kommen! Ich weiß nicht, wieso ich versagt habe. Ich weiß es wirklich nicht. Ich weiß nur, dass sie mich gefeuert haben. Anscheinend mach ich nie was richtig.“ Und damit klebt er noch fester an seinem Gram. Falsche Ratschläge Der Mensch auf Stufe geht sozusagen mit der Scham und der Angst hausieren. Er erregt sich über die Verhältnisse. Seine Unterhaltung dreht sich bis zum Steinerweichen um Krankheiten, Tod und Tragödien. Er selbst allerdings unternimmt gar nichts. Er bedient sich seiner Ängste, um Arglosen Fallen zu stellen. "Ach, was soll ich bloß machen?“ jammert er. Schlagen Sie ihm jedoch eine Lösung vor oder wollen Sie ihm eine Arbeit verschaffen, dann vergießt er heiße Tränen und beteuert Ihnen, dass sei ganz und gar unmöglich. Ich bekam einst einen Brief von einer Lehrerin in New York. Sie berichtete mir, dass sie an einer Privatschule für schwer erziehbare Kinder tätig sei. In bitteren Worten beklagte sie sich über die Rebellion ihrer Schüler, über ihre trotzigen Widerwillen, über das endlose Debattieren und über die „leeren Gehirne“ ihrer Prüflinge. Dann schilderte sie die vergammelte Einrichtung der Schule: Die Fensterscheiben seien eingeschlagen, die Pulte demoliert, die Abwasserrohre verstopft, und all diese Schäden würden nie behoben. Die Unterrichtsstunden seien auf knappe dreißig Minuten beschränkt, in denen sie nichts Vernünftiges anfangen könne. Die Hälfte aller vorgeschriebenen Lehrbücher sei überhaupt nicht vorhanden. „Ich bin entsetzlich nervös und entmutigt. Was soll ich nur tun?“ Hier unternahm offenbar irgendein Anonymus alles nur Denkbare, um den Unterricht zu stören. Nur eine resolute Person mit hohem Emotionsniveau würde in der Lage sein, dieses heillose Durcheinander zu beseitigen. Die Briefschreiberin schaffte es offensichtlich jedoch bloß bis zur Stufe des Mitleids (weswegen sie wohl auch diesen Posten übernommen hatte). Höher kam sie gewiss nicht – und das war in diesem Fall zu wenig. Ich antwortete ihr: „Wechseln Sie die Stellung. Um eine solche Situation zu meistern, müssten Sie besser ausgebildet sein. Suchen Sie sich einen Posten, auf dem Sie wirklich etwas ausrichten können.“ Ich wusste, dass sie meinen Rat angenommen hätte, wenn, sie flexibler gewesen wäre. Dies aber war sie nicht, und deshalb befolgte sie meine Empfehlung auch nicht. Ihre Antwort war typisch für jemanden, der sich in der Wirrnis von Gram und Mitleid verfangen hat. Diese Antwort lautete nämlich so: „Ich kann meine Stellung nicht aufgeben, denn es ist schwierig, woanders etwas zu finden.“ Dann fügte sie hinzu, dass sie auf den Verdienst angewiesen sei. Und schließlich meinte sie: „Ich möchte diesen Kindern doch wirklich helfen.“ Wie jeder Mensch auf der Stufe des Grams vermochte sie sich nicht von ihrem Problem zu lösen. Sie genoss gerade zu die Kläglichkeit ihrer Lage. Sie hätte eine gewaltige Anstrengung auf sich nehmen müssen, um etwas zu erreichen. Mein Ratschlag war natürlich zu einfach gewesen: Keine Person auf niedriger Gefühlsebene akzeptiert eine einfache Lösung. Und ein traurig veranlagter Mensch akzeptiert überhaupt keine Lösung. Zusammenfassung Traurigkeit und Gram kann man – wenn überhaupt – nur dadurch beheben, indem man das Emotionsniveau zu steigern trachtet. Machen Sie sich weiter keine Sorgen über die Ursachen, die der Betroffene nennt, um seine Misere zu erklären. Was er erzählt, wird wahrscheinlich nicht stimmen: Menschen in derartigen Situationen neigen zum Erfinden „interessanter Geschichten“. Jede Person auf niedriger Stimmungsstufe versucht, die Probleme des Lebens durch Gefühle zu lösen.
Der Mensch auf "Gram - Traurigkeit" tut es, wobei er durch die Welt trippelt und sich an seinen Gram klammert wie an eine Geliebte, die er zu verlieren fürchtet.
Er oder Sie „sammelt“ Ungerechtigkeiten wie ein anderer Briefmarken, Deckeln, Blumen oder Bierdeckel.
Navigation
[0] Themen-Index
Zur normalen Ansicht wechseln