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Titel: 🌞 Wiener Kaiserschmarr'n 🧇
Beitrag von: ★ Ronald Johannes deClaire Schwab am September 15, 2023, 09:07:10 Nachmittag
Ein Kaiserschmarren ist eine Palatschinke in der dritten Dimension: Die Grundzutaten eines Kaiserschmarrens sind exakt die gleichen, allerdings werden die Eier getrennt und die Eiweiß zu Schnee geschlagen, und der Schmarrn wird meistens (nicht immer!) auch im Rohr gebacken.
Diese Änderungen lassen ihn nicht nur aufgehen, sondern verkomplizieren den Kochprozess deutlich und werfen eine Reihe neuer Fragen auf: Wie viel Eiweiß lässt den Teig perfekt aufgehen, soll er nur in der Pfanne, nur im Rohr oder am besten in beidem gebacken werden, und welches Mehl liefert die besten Ergebnisse? Mit Palatschinkenvorwissen ausgestattet haben der Heinrich S. und ich uns der Aufgabe gestellt und uns auf die Suche gemacht.
Der gemeine Schmarrn ist eines der ältesten und weitverbreitetsten Gerichte Mitteleuropas und wird hier wohl mindestens seit der Jungsteinzeit gegessen.
Anfangs war er eine einfache Mischung aus Mehl und Wasser und nicht zwingend eine Süßspeise. Im 19. Jahrhundert, so etwas wie dem goldenen Zeitalter des Schmarrns, beschreiben Rezepte etwa Nierenschmarrn, Lungenschmarrn oder Kapaunenschmarrn ("vorzüglich wählt man hiezu ein fleischiges Stück von einem übrig gebliebenen Kapaun, hat man dieses nicht, so bratet man ein großes Hühnel schön" aus: "Die Baierische Köchin in Böhmen" von Maria A. Neudecker, 1806).
Mit steigendem Wohlstand, scheint es, wurden die Schmarrn immer üppiger und zunehmend mit mehr Fett, dann auch noch mit Zucker und Ei angereichert. Das älteste uns bekannte gedruckte Rezept, das einem modernen Kaiserschmarr'n entspricht, stammt aus dem Jahr 1818 aus dem Buch "Theoretisch-praktische Anleitung zur Kunstbäckerey" von F. G. Zenker, auch wenn es dort noch unter dem alten Namen "Mehlschmarrn" firmiert.
Die erste schriftliche Erwähnung des Wortes "Kaiserschmarr'n" folgte dann 15 Jahre später in den "neuen komischen Briefen des Hans-Jörgels von Gumpoldskirchen", der seinem Schwager 1833 schreibt, er habe "beim römischen Kaiser auf der Freyung ein vortrefflich Kaiserschmarr'n (...) gessen". Ein paar Jahre später, 1858, finden Name und Rezept dann erstmals in einem österreichischen Kochbuch zusammen – und sind seither zu einem fixen Bestandteil des österreichischen Mehlspeiskanons geworden.
Die Legende, der Name Kaiserschmarr'n ginge auf Kaiser Franz Joseph zurück, ist daher ziemlich sicher falsch – er war beim Erscheinen der Hans-Jörgel'schen Briefe nämlich gerade einmal drei Jahre alt und noch 15 Jahre kein Kaiser. Auch die Theorie, der Name leite sich vom "Kaser" ab, dem alten Wort für Käser, der als hart arbeitender Alpbewohner eines besonders üppigen Schmarrns bedurfte, erscheint mir nicht schlüssig: Zucker, Butter und Ei waren schlicht zu teuer für noch so hungrige Arbeiter.
Der Name düfte stattdessen auf Franz Josephs Großvater Franz II/I zurückgehen, der 1804 zum ersten Kaiser (statt nur König) von Österreich wurde und nach dessen Krönung sich die Bezeichnung "Kaiser-" dies und das für edle Varianten häufte – neben dem Schmarrn etwa auch die Kaisersemmel oder das Kaiserfleisch.
Weil so gut wie jedes österreichische Kochbuch der vergangenen 170 Jahre ein Kaiserschmarr'n Rezept listet, sind wir diesmal vor einer ziemlichen Datenmenge gestanden.

Um uns das Leben noch schwerer zu machen, haben wir außerdem noch zwei weitere unveröffentlichte Rezepte inkludiert: erstens jenes von Heinz Reitbauer vom Steirereck als lebender Goldstandard der österreichischen Küche, das er mir netterweise auf Nachfrage geschickt hat. Und zweitens jenes für meinen besten bisherigen Kaiserschmarr'n. Den durfte ich vor vier, fünf Jahren in der Post in Traunkirchen genießen, vom Rezeptschöpfer Lukas Nagl höchstselbst zubereitet. Er hat sich mir als Eichschmarrn eingebrannt.
Die Trends, die sich über die Jahrzehnte zeigen, sind recht klar: Die sehr alten Schmarrn sind merkbar fetter als ihre modernen Pendants und oft weniger stark gezuckert – mit der Zeit wird der Kaiserschmarr'n immer magerer und süßer. Auch die Form wandelt sich: In den alten Rezepten ist, ganz im Geiste des Sterz, noch oft davon die Rede, den Schmarrn in kleine Stücke zu teilen, in den moderneren wird er dann meist nur mehr groß zerrissen.
Andere Dinge sind über die Jahrhunderte relativ konstant geblieben: Das Verhältnis von Mehl zu Flüssigkeit liegt meist bei ungefähr 1:2, die Eiklar machen meist um die 25 Prozent der Gesamtmasse aus, und fast immer landen so viele Eiklar wie Dotter im Schmarrn. Nur Heinz Reitbauer zerschlägt für seinen Schmarrn deutlich mehr Eiweiß auf, als er Dotter verwendet
Wir haben daher aus allen uns bekannten Rezepten ein Durchschnitts-Kaiserschmarr'n-Rezept errechnet: 60 Gramm Mehl, 120 Milliliter Milch, zwei Eier. Darauf aufbauend haben wir diverse Variablen getestet. Vorab: Diese einfache Durchschnittsformel hat sich recht schnell als so etwas wie der goldene Schnitt des Kaiserschmarr'ns erwiesen. Wer sich daran hält, bekommt einen ziemlich guten Schmarrn.
Weil es schon bei den Palatschinken ziemlich erfolgreich war und Kenji Lopez Alt für Yorkshire Pudding darauf schwört, haben wir auch beim Kaiserschmarr'n einen Teig aus Mehl, Milch und Dotter rasten lassen, und zwar gleich über Nacht (die Eiweiß haben wir separat aufgehoben und dann à la minute geschlagen). Das war gleich ein Erfolg: Der gerastete Teig hatte nach dem Backen mehr Geschmack und fiel, einmal aus dem Ofen, weniger stark zusammen. Wer kann, bereitet seinen Kaiserschmarr'n-Teig daher schon am Vortag zu.
Wir haben für unsere Versuche sowohl das Milch-Mehl-Verhältnis als auch die Menge an Ei im Teig variiert – und haben bald gemerkt, dass der Durchschnittsteig schwer zu verbessern ist. Flüssigere Teige gehen etwas besser auf, werden aber etwas ledrig-labberiger in der Konsistenz. Mehr Ei sorgt für mehr Knusper und Luftigkeit, was aber auf Kosten der Fluffigkeit geht.
Besonders auffällig ist der Effekt beim Reitbauer'schen Rezept, das auf erstaunliche 13 Eiweiß auf drei Dotter setzt, also ein Verhältnis jenseits der 4:1. Das Ergebnis ist schwebend-leicht, auf dem Kontinuum zwischen Pfannkuchen und Salzburger Nockerln eher bei den Nockerln angesiedelt. Das ist wahrscheinlich der perfekte Kaiserschmarr'n nach dem Tasting-Menü, aber, ich gestehe es, nicht das, was ich mir für meinen Schmarrn zu Hause wünsche.
Kurz: 60 Mehl, 120 Milch, 2 Eier (und ihre diversen Vielfachen) ist eine ziemlich gute, altbewährte Mischung.
Die meisten Rezepte empfehlen glattes Mehl – und haben recht. Wir haben unser Schmarrn-Rezept einmal mit Universal, einmal mit Glatt, einmal mit Pizza-Mehl Typ 00 probiert. Sowohl Pizza als auch Glatt waren merkbar flaumig-samtiger im Biss, Universal brachte einen gröberen Schmarrn mit zäherem Biss.
Der Zuckeranteil im Teig variiert in den Rezepten ziemlich stark, von so gut wie gar nicht gezuckert bei Katharina Prato bis zu ziemlich erstaunlichen 18 Prozent bei Reitbauer. Wir haben ein wenig herumgekostet und waren mit moderaten 10 g Zucker pro Eiweiß, beim Schlagen des Schnees zugegeben, sehr zufrieden.
Fett ist der größte Unterschied zwischen alten und neuen Kaiserschmarr'n-Rezepten. In modernen Rezepten wird der Teig zwar immer noch in Butter gebraten, aber es wird nie extra Butter in den Teig gegeben. Manche moderne Rezepte ersetzen allerdings die Milch oder Teile der Milch durch Obers oder Sauerrahm. Alte Rezepte hingegen mischen so gut wie immer Butter in den Teig.
Für unsere Fetttests haben wir uns Mühe gegeben, den Anteil von Fett am Teig konstant zu halten, also egal, ob wir Butter (80 Prozent Fett), Obers (40 Prozent) oder Sauerrahm (so um die 12 Prozent) zugesetzt haben. Bevor wir losgelegt haben, habe ich große Hoffnungen auf den Sauerrahm gesetzt. Sowohl Heinz Reitbauer als auch Lukas Nagl als auch Heinrich S.' Privatrezept setzen nämlich auf Sauerrahm. Die Ergebnisse haben mich dann doch überrascht.
Vorab: Mehr Fett im Teig ist vielleicht nicht zeitgemäß, aber geschmacklich eine gute Idee. Gebutterte Teige schmecken nicht nur wenig überraschend angenehm nach Butter, sondern gehen auch schöner auf als ungebutterte Teige. Das hat mich überrascht (ich hätte mir das Gegenteil erwartet), der Effekt war aber im direkten Vergleich ziemlich deutlich.
Obers machte den Teig erstaunlicherweise etwas trocken im Mundgefühl und ließ ihn am wenigsten schön aufgehen. Sauerrahm sorgt zwar für einen besonders saftigen Teig, kommt aber nicht ganz an die Flaumigkeit von Butter heran.
Wir waren uns alle einig, dass Obers die schlechteste Fettbeigabe ist. Der Heinrich S. bevorzugte Sauerrahm auch bei unserem Test, meine Frau und ich bevorzugten die gebutterte Variante. (Einziger Nachteil: Gebutterte Teige fallen mit der Zeit nach dem Backen etwas mehr zusammen als solche mit Obers oder Sauerrahm). Butter oder Sauerrahm ist eine Entscheidung, die jeder für sich selbst treffen muss.
Mache Rezepte backen den Kaiserschmarr'n nur in der Pfanne, andere nur im Ofen, wieder andere setzen auf eine Mischform und backen ihn erst auf dem Herd an und schieben ihn dann ins Rohr.
Eine Mischung aus Herd und Rohr hat sich in unseren Tests als die beste erwiesen. Zwar ist es für das geschmackliche Endergebnis recht egal, wie der Schmarrn genau gebacken wird – nur im Ofen gebackene Schmarrn brauchen aber deutlich länger, bis sie gar und schön braun werden, nur in der Pfanne gebackene sind eine größere Herausforderung im Timing.
Wir haben unseren erst auf dem Herd auf mittlerer Hitze eingegossen und angebacken, dann mit Heinrich S.' schönem Schmarrnschaufer gewendet und dann im Rohr bei 220 Grad in relativ kurzer Zeit fertiggebacken.
Rosinen sind ein Geschenk Gottes und mit ihrer kräftig-rauchigen Süße und dem angenehmen Biss ein Gewinn in so ziemlich allen Süßspeisen, vor allem aber in solchen, die ohne sie zu etwas eintöniger Konsistenz neigen wie Striezel oder Kaiserschmarr'n. Sie sind also auf jeden Fall ein Gewinn.
Ich bin an sich ein großer Fan von Vanille, und als wir einen Schmarrn mit Vanille gemacht haben, war ich sicher, ihn zu bevorzugen. Ich habe mich geirrt. Auch die mit Zitronenschale aromatisierte Variante hat mich nicht überzeugt. Ich weiß jetzt, dass ich ein Kaiserschmarr'n-Purist bin.
Hier kurz im Überblick die vier wichtigsten Lektionen:
1.: Der durchschnittliche Kaiserschmarr'n ist ein ziemlich guter Kaiserschmarr'n. Die simple Formel "1 Teil Mehl, 2 Teile Milch, 2 Teile Ei"(4) ist ein bisschen so etwas wie der Goldene Kaiserschmarr'n-Schnitt. Die meiste Abweichung davon hat für uns schlechtere Ergebnisse gebracht.
2.: Ein fetter Kaiserschmarr'n ist ein besserer Kaiserschmarr'n. Geben Sie dem Teig etwas Butter hinzu oder ersetzen Sie einen Teil der Milch mit Sauerrahm, und ihr Kaiserschmarren wird flaumiger werden und schöner aufgehen. Win win.
3.: Wer kann und dran denkt, lässt seinen Schmarrnteig rasten.
4.: Pur ist gut. Kaiserschmarr'n braucht bloß Rosinen, aber keine Gewürze, um so richtig gut zu sein.
Was sich bei unseren Versuchen angedeutet hat, ist, dass die Pfanne vielleicht eine größere Rolle für einen guten Kaiserschmarr'n spielt, als etwa die Palatschinkenversuche vermuten ließen: Zwar haben wir ausschließlich mit guss- beziehungsweise schmiedeeisernen Pfannen gearbeitet, allerdings haben manche Pfannen bessere Ergebnisse gebracht als andere. Mehr Versuche sind eindeutig vonnöten!
Ebenfalls unbeantwortet blieb des Herrn Finks Vermutung, auch die Seehöhe könne einen Unterschied machen. Er kennt nämlich einen Hüttenkoch, der schwört, dass der Kaiserschmarr'n erst ab 2.000 Metern so richtig schön aufgeht. Wir haben uns den Vergleichstest für ein anderes Mal aufgehoben.
In unseren Vorbesprechungen mit diversen Kaiserschmarr'n-Connaisseuren hat sich gezeigt, dass man Menschen in zwei Gruppen teilen kann: jene, die ihren Schmarrn speckig mögen, und die, für die er flaumig sein muss. Für mich ist ein guter Kaiserschmarr'n ein wenig von beidem: außen zart-knusprig, innen flauschig-weich, quasi eine dicke Wolke, ein Soufflé, an dem man sich satt essen kann. Er ist nur sanft süß, sodass er bloß für sich auch noch, sagen wir, als Beilage zu Selchfleisch durchgehen würde – erst der obligate Zwetschkenröster macht ihn zur Nachspeise. Der hier entspricht dem ziemlich genau.
Zutaten
60 g glattes Mehl(5)
120 ml Sauerrahm ODER 100 ml Milch und 20 g geschmolzene Butter
2 Eier, getrennt
20 g Zucker
1ml Butter
Rosinen nach Geschmack
Rum
Zwetschkenröster oä. zum Servieren

Die Rosinen in einer kleinen Schüssel mit Rum bedecken und mindestens 30 Minuten ziehen lassen.
Das Backrohr auf 220 Grad vorheizen.
Die Eier trennen. Eiweiß und Zucker mischen und steif schlagen.(6)
Mehl, Eigelb und Sauerrahm bzw. Milch und Butter möglichst klumpenfrei verrühren, dann den Eischnee unterheben. Rum der Rosinen abgießen.
Eine Gusseisen- oder Schmiedeeisenpfanne schön heiß werden lassen und etwas Butter darin schmelzen. Die Masse hineingießen, Rosinen gleichmäßig darauf verteilen und auf mittlerer Hitze backen, bis sie unten schön Farbe genommen hat. Mit dem Schmarrnschauferl oder einem ähnlichen Instrument wenden, ins Backrohr geben und backen, bis der Schmarren durchgegart ist, etwa weitere fünf bis zehn Minuten.
Herausnehmen, in die gewünschte Stückgröße reißen. Bei Lust, Laune und Zeit mit etwas mehr Butter und extra Zucker die gerissenen Stücke in der Pfanne nochmals scharf anbraten. Sofort mit Zwetschkenröster servieren.