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📘 ➦ Grundrechte ➦
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★ Ronald Johannes deClaire Schwab:
📘 ➦ Grundrechte
https://de.wikipedia.org/wiki/Grundrechte
--- Zitat ---Was sind die wichtigsten Grundrechte?
Dieser Absatz enthält gleich mehrere Grundrechte: Die Meinungsäußerungsfreiheit, die Informationsfreiheit, die Pressefreiheit, die Rundfunkfreiheit und die Freiheit des Films; zusammengefasst werden diese auch als Meinungs- und Verbreitungsfreiheit.
--- Ende Zitat ---
➦ Grundrechte Österreich
In Österreich befinden sich die Grundrechte nicht, wie in vielen anderen Staaten, geschlossen in einem Gesetz, sondern sind – wie die gesamte österreichische Bundesverfassung – auf zahlreiche Gesetze verteilt. Dabei werden einzelne Gesetze, oder auch nur einzelne Paragraphen in Verfassungsrang gesetzt. https://de.wikipedia.org/wiki/Grundrechte_(%C3%96sterreich)
Ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht (Grundrecht) ist ein subjektiv-öffentliches Recht, das dem Einzelnen durch eine Rechtsvorschrift im Verfassungsrang eingeräumt ist. Nach jüngster Rechtsprechung (VfGH 14.03.2012, U 466/11 ua.) können in einem gewissen Rahmen auch von der Grundrechte-Charta der Europäischen Union garantierte Rechte „als verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte Prüfungsmaßstab in Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof“ sein. Die Durchsetzung von verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten erfolgt vor dem Verfassungsgerichtshof insbesondere durch Beschwerde gemäß Art. 144 B-VG oder durch einen Antrag auf Verordnungs- oder Gesetzesprüfung (Art. 139 und 140 B-VG).
Es ist nicht Ziel dieser Aufstellung, sämtliche Grundrechte vollständig zu benennen, sie soll Ihnen aber einen Überblick über den Kern des Grundrechtsschutzes bieten (die mit * gekennzeichneten Grundrechte stehen nur Unionsbürgern – ausgenommen bestimmte Wahlrechte – zu):
Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art. 7 B-VG; Art. 2 StGG)*
Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (Art. I BVG zur Durchführung des internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung)
Recht auf Leben (Art. 85 B-VG, Art. 2 EMRK, 6. ZPEMRK)
Recht, keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung (Folter) unterworfen zu werden (Art. 3 EMRK)
Recht auf persönliche Freiheit (BVG persönliche Freiheit; Art. 5 EMRK)
Verbot der Sklaverei und Leibeigenschaft, der Zwangs- und Pflichtarbeit Art. 4 EMRK; Art. 7 StGG)
Recht auf Freizügigkeit der Person und des Vermögens (Art. 4 Abs. 1 StGG; Art. 2 Abs. 1 4. ZPEMRK)
Recht der freien Wahl von Aufenthalt und Wohnsitz (Art. 6 Abs. 1 StGG; Art. 2 Abs. 1 4. ZPEMRK)
Verbot der Ausweisung aus dem Heimatstaat (Art. 3 Abs. 1 4. ZPEMRK)* und Recht auf Einreise in den Heimatstaat (Art. 3 Abs. 2 4. ZPEMRK)*
Unverletzlichkeit des Hausrechtes (Art. 9 StGG; Gesetz zum Schutz des Hausrechts; Art. 8 EMRK)
Schutz des Briefgeheimnisses (Art. 10 StGG; Art. 8 EMRK) und des Fernmeldegeheimnisses (Art. 10a StGG; Art. 8 EMRK)
Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums (Art. 5 StGG; Art 1 1. ZPEMRK)
Recht auf Erwerbs(ausübungs)freiheit (Art. 6 StGG)*
Recht auf Freiheit des Liegenschaftsverkehr (Art. 6 StGG)*
Recht auf Freiheit von Berufswahl und Berufsausbildung (Art. 18 StGG)
Recht auf Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 13 StGG; Art. 10 EMRK)
Recht auf Datenschutz (§ 1 Datenschutzgesetz)
Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK)
Recht der Eheschließung und auf Familiengründung (Art. 12 EMRK)
Recht auf Vereins- und auf Versammlungsfreiheit (Art. 12 StGG)
Recht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit einschließlich der Freiheit der Religionsausübung (Art. 14 und 16 StGG; Art. 9 EMRK)
Recht auf Zivildienst (§ 1 Zivildienstgesetz)*
Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art. 83 Abs. 2 B-VG)
Recht auf eine gerichtliche Entscheidung in Zivil- und Strafsachen und auf ein faires Verfahren sowie auf einen rechtsstaatlichen Mindeststandard im Strafprozess (Art. 6 EMRK)
aktives und passives Wahlrecht (Art. 26, 60, 95 und 117 B-VG)*
Rechte der Kinder (BVG über die Rechte von Kindern)
Zu den verfassungsgesetzlich geschützten Rechten der Minderheiten zählen zum einen solche, die die Gleichbehandlung der Minderheitsangehörigen gebieten und Diskriminierungen untersagen (Art. 62 ff. Staatsvertrag von Saint-Germain-en-Laye), und zum anderen spezifische Sonderrechte des Gebrauchs der eigenen Sprache vor Behörden sowie im Bereich des Unterrichts- und Erziehungswesens und des Kulturlebens (Art. 7 Staatsvertrag von Wien)*
https://www.vfgh.gv.at/verfassungsgerichtshof/rechtsgrundlagen/grundrechte.de.html
--- Zitat ---Autorin/Autor: Manfried Welan • Titel: Über die Grundrechte und ihre Entwicklung in Österreich
Quelle online: www.demokratiezentrum.org • Quelle Print: Österreich in Geschichte und Literatur, Heft 4-5, 2002
kam zum Paradoxon Austriacum, dass zwei weltanschauliche Lager, die sich bekämpften, sich
darauf einigten, dass es hinsichtlich der Grund- und Freiheitsrechte i.w. beim bisher
bestehenden Zustand zu verbleiben habe. Damit blieb der Grundrechtskatalog der Liberalen in
Geltung. Diese waren von Christlichsozialen und Sozialdemokraten bekämpft worden und
spielten praktisch keine Rolle mehr. Aber sie lieferten den Grundrechtskatalog der
demokratischen Republik. Dieser liberale Grundrechtskatalog wurde sogar noch liberaler. Das
StGG wurde nämlich ohne Suspendierung von Grundrechten (Art 20) im B-VG rezipiert.
Möglicherweise fiel die Einigung auf diesen alten Grundrechtskatalog so leicht, weil man ihn
kannte und weil man ihn durch die einfache Gesetzgebung weitgehend beschränken kann. Es
kam und kommt darauf an, wer in den Parlamenten und im VfGH die Mehrheit hat.
Unter der Geltung eines umfassenden Legalitätsprinzips – die gesamte staatliche Verwaltung
darf nur aufgrund der Gesetze ausgeübt werden (Art 18 B-VG) – wären die Grundrechte im
übrigen weitgehend funktionslos geworden. Man hatte sie ja bisher nur als Abwehrrechte gegen
gesetzlose Eingriffe der Verwaltung verstanden. Sie hatten noch nicht jene Bedeutung
gegenüber der Gesetzgebung, die sie in der späteren Zweiten Republik erreichten. Es musste
sich erst die Auffassung durchsetzen, dass auch die Gesetzgeber an die Grundrechte
gebunden sind. Neben dem StGG 1867, dem Beschluss vom 30. Oktober 1918 wurden auch
die Verfassungsbestimmungen der Art 62-69 des Staatsvertrages von St. Germain in das B-VG
aufgenommen. Sie waren vor allem für den Minderheitenschutz wichtig.
Die Verfassung 1934 enthielt einen eigenen Grundrechtskatalog, der durchaus liberale Züge
hatte. Manche sprechen deshalb auch von einer rechtsstaatlichen Diktatur 1934-1938.
Nach Austrodiktatur und Nationalsozialismus wurden 1945 wieder die alten Grundrechte 1867
samt Ergänzungen in Kraft gesetzt.
Wie durch den Staatsvertrag von St. Germain wurden durch den Staatsvertrag von Wien 1955
neue Grundrechte eingeführt, insbesondere der Minderheitenschutz gemäß Art 7 und 8.
1958 trat Österreich zur Europäischen Menschenrechtskonvention 1950 bei. Der
Verfassungsgerichtshof stellte allerdings zunächst fest, dass sie nur den Rang eines einfachen
Bundesgesetzes habe. Durch ein BVG aus dem Jahre 1964 wurde die EMRK rückwirkend in
Verfassungsrang erhoben. Lange wurde ihr vom Verfassungsgerichtshof die
Grundrechtsqualität abgesprochen, weil er sie für nicht unmittelbar anwendbar hielt.
Auch später verhielt er sich gegenüber der EMRK sehr zurückhaltend. So begründete er ein
Auslegungsergebnis damit, dass „eine weittragende, die österreichische Rechtsordnung
geradezu umstürzende Folgerung“ aus der EMRK nicht gezogen werden könne. Durch die
Kritik der Wissenschaft und vor allem dadurch, dass Österreich häufig in Strassburg verurteilt
wurde, musste der Verfassungsgerichtshof seine Rechtsprechung abändern. Er und die
anderen Höchstgerichte berücksichtig(t)en auch die Judikatur der Strassburger
Menschenrechtsinstanzen.
Auch die Zusatzprotokolle zur EMRK wurden von Österreich ratifiziert. Von Anfang an wurde
die Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und das
Individualbeschwerdeverfahren anerkannt.
Ansonsten kam es nur zu punktuellen Erweiterungen des Grundrechtssystems. So durch das
Grundrecht auf Datenschutz, das Recht auf Leistung eines Zivildienstes und vor allem das BVG
über den Schutz der persönlichen Freiheit 1988 sowie die freiwillige Dienstleistung als Soldatin
1998.
Grundrechte wurden auch in Landesverfassungen festgelegt.
Autorin/Autor: Manfried Welan • Titel: Über die Grundrechte und ihre Entwicklung in Österreich
Quelle online: www.demokratiezentrum.org • Quelle Print: Österreich in Geschichte und Literatur, Heft 4-5, 2002
4. Grundrechtsquellen des Bundesverfassungsrechts und Menschenrechtsdokumente
in Staatsverträgen
1. Gesetz zum Schutze des Hausrechts, RGBl 1862/88 (rezipiert durch Art 149 B-VG)
2. Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, RGBl 1867/142, zuletzt
geändert BGBl 1988/684 (rezipiert durch Art 149 B-VG),
3. Grundrechtsbestimmungen im Beschluss der provisorischen Nationalversammlung 1918,
StGBl 1918/3 (rezipiert durch Art 149 B-VG),
4. Grundrechtsbestimmungen im Abschnitt V. des III. Teiles des Staatsvertrages von St.
Germain, StGBl 1920/303 (rezipiert durch Art 149 B-VG),
5. Wahlrechtsbestimmungen im B-VG und neuerliche Verankerung des
Gleichheitsgrundsatzes (Art 7) und des Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art 83 Abs 2
im B-VG 1920, weitere Grundrechte finden sich in Art 14 Abs 7 sowie Art 90 Abs 2 B-VG),
6. Grundrechtsbestimmungen im Staatsvertrag von Wien, BGBl 1955/152 (Art 7 Z. 2-4, Art 8)
7. Minderheitenrechte im Minderheiten-Schulgesetz für Kärnten (BGBl 1959/101, zuletzt
geändert BGBl I, 1998/137 (§ 7),
8. Europäische Menschenrechtskonvention, BGBl 1958/210 sowie die Zusatzprotokolle, von
denen das 1., 4., 6. und 7. grundrechtliche Bestimmungen enthalten,
9. BVG zur Durchführung des internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller
Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 1973/319
10. BVG über die Sicherung der Unabhängigkeit des Rundfunks, BGBl 1974/396,
11. Parteienfreiheit nach Art I des Parteiengesetzes, BGBl 1975/404, zuletzt geändert BGBl I
1997/37
12. Grundrecht auf Datenschutz nach § 1 des Datenschutzgesetzes, BGBl 1978/565, zuletzt
geändert BGBl 1994/632
13. § 12 und § 44 des Auslieferungs- und Rechtshilfegesetzes, BGBl 1979/529, zuletzt geändert
BGBl 1996/762
14. Recht auf Leistung eines Zivildienstes nach § 2 Zivildienstgesetz 1986, BGBl 679, zuletzt
geändert BGBl I/1998/29
15. BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl 1988/684
16. Minderheitenrechte im Minderheiten-Schulgesetz für das Burgenland, BGBl 1994/641,
geändert durch BGBl I/1998/136 (§ 1)
17. Freiwillige Dienstleistung im Bundesheer als Soldatin als verfassungsgesetzlich
gewährleistetes Recht (Art 9a Abs 4 B-VG, eingefügt durch BGBl I/1998/30).
Unter den über 2.500 Staatsverträgen, die die Republik Österreich abgeschlossen hat, sind
auch Menschenrechtsdokumente. Sie sind völkerrechtlich für Österreich verbindlich,
innerstaatlich aber von geringer Wirkung, weil sie nicht in den Verfassungsrang gehoben
wurden. Die wichtigsten davon sind:
1. UN-Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, BGBl 1978/590
2. UN-Pakt über bürgerliche und politische Rechte, BGBl 1978/591
3. Europäische Sozialcharta, BGBl 1969/460
4. UN-Konvention über die Rechte des Kindes, BGBl 1993/7
5. Konvention über die politischen Rechte der Frau, BGBl 1969/296
6. UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau, BGBl 1982/443.
Diese Abkommen stehen im nicht Verfassungsrang und sind mit Erfüllungsvorbehalt
beschlossen worden.
7. Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende
Behandlung oder Strafe, BGBl 1987/492.
Es ist Sache des Nationalrats, den innerstaatlichen Rang eines Staatsvertrags festzulegen. Er
kann auch durch einen Erfüllungsvorbehalt nach Art 50 Abs 2 B-VG die generelle
Transformation eines Staatsvertrages, also die unmittelbare Umsetzung in die österreichische
Rechtsordnung ausschließen.
Autorin/Autor: Manfried Welan • Titel: Über die Grundrechte und ihre Entwicklung in Österreich
Quelle online: www.demokratiezentrum.org • Quelle Print: Österreich in Geschichte und Literatur, Heft 4-5, 2002
Diese Verträge sind nicht unmittelbar anwendbar, daher kann sich der Einzelne nicht auf die
darin festgelegten Rechte berufen. Da die Grundrechte nach der Judikatur des
Verfassungsgerichtshofes völkerrechtskonform auszulegen sind, sind diese Verträge zu ihrer
Interpretation heranzuziehen.
Die Internationalisierung der Grundrechte geht zögernd voran, die Europäisierung hat sich im
großen und ganzen durchgesetzt.
5. Charakteristik und Einteilung der österreichischen Grundrechte
Im Verhältnis zur vorrepublikanischen Zeit haben die Grundrechte eine Bedeutungssteigerung
erlebt: Sie sind nicht Gewährungen des Staates nach Maßgabe der Gesetze, sondern
Rechtspositionen, die von vornherein den Staat steuern und begrenzen. Sie können nicht nur
wie früher gegenüber der Verwaltung durchgesetzt werden, sondern beschränken und binden
auch die Gesetzgebung. Sie wirken auch gegen den Staat als Privatrechtsträger.
Durch die Menschenrechtstönung des Privatrechts haben die Grundrechte in dessen Bereich
geringe Bedeutung. Über Generalklauseln wie die guten Sitten können sie aber eine
Drittwirkung in diesem Bereich entfalten. Die Lehre von der Drittwirkung enthält auch die
Forderung, dass die Grundrechte auf der Ebene des Privatrechtes wirken und zwar nicht nur
zwischen dem Staat als Träger von Privatrechten und den Bürgern, sondern auch zwischen den
einzelnen Menschen selbst. Die Grundrechte könnte man auch als Schranken und Grenze der
Ausübung von Privatautonomie und Privateigentum ansehen.
Im Gegensatz zu anderen Staaten sind bei uns die Grundrechte nur vereinzelt direkt im
Rahmen der ordentlichen Gerichtsbarkeit durchsetzbar. Gegen Erledigungen durch den OGH
kann man auch nicht an den Verfassungsgerichtshof Beschwerde erheben.
Die Grundrechte werden aber nicht mehr ausschließlich als Abwehr- oder
Unterlassungsansprüche gegen staatliche Eingriffe in ihre Sphären angesehen, sondern sie
werden auch in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs als Ausdruck objektiver
Werte verstanden. Damit sind sie zu allgemein geschätzten und geschützten Rechtsgütern
geworden, die vor allem für die Gesetzgebung ein ständiger input sind. Sie wurden von
staatsgerichteten Abwehrrechten mit punktuellem Schutz zu umfassenden Zielsetzungen für die
Gestaltung eines pluralistischen Gemeinwesens im Sinne ihrer Werte.
Hüter und Garant der Grundrechte ist der Verfassungsgerichtshof. Er machte durch seine
Judikatur aus der Fülle von Grundrechtsquellen einen Grundrechtskatalog. Um zu wissen, was
die einzelnen Grundrechte in der Staatspraxis bedeuten, muss man daher die Judikatur des
Verfassungsgerichtshofes zu den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten kennen.
Die Grundrechte werden nach verschiedenen Gesichtspunkten eingeteilt. So, ob sie unter
Gesetzesvorbehalt stehen oder nicht. Sowohl Eingriffs- als auch Ausübungsvorbehalte
legitimieren den Gesetzgeber, den Inhalt der Grundrechte unter nachfolgender Kontrolle des
Verfassungsgerichtshofes zu gestalten. Die Gefahr liegt darin, dass sie dann vom Gesetzgeber
ausgehöhlt werden. Sog. „nicht gesetzesfeste“ Grundrechte können zu leerlaufenden
Grundrechten werden.
Dagegen hat der Verfassungsgerichtshof ähnlich wie das deutsche Bundesverfassungsgericht
die sogenannte Wesensgehaltssperre entwickelt. Danach wird „der Kernbereich“ des
Grundrechts als Schranke des einfachen Gesetzgebers anerkannt. Außerdem muss die
Regelung durch den Gesetzgeber dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, einer Ausprägung
des Gleichheitsgrundsatzes entsprechen.
Autorin/Autor: Manfried Welan • Titel: Über die Grundrechte und ihre Entwicklung in Österreich
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Auch sogenannte „gesetzesfeste Grundrechte“, also solche ohne Gesetzesvorbehalt, sind nicht
schrankenlos gewährleistet. Die Schranken liegen in den Grundsätzen der gesamten
Rechtsordnung. Bei den vorbehaltslos gewährleisteten Grundrechten handelt es sich zum Teil
um absolute Grundrechte, die keiner Beschränkung unterliegen (z.B. die Freiheit von Folter
oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung), bei anderen vorbehaltslos
gewährleisteten Grundrechte spricht man von einem ungeschriebenem Gesetzesvorbehalt. (so
bei der Liegenschaftsfreiheit) und von immanenten Grundrechtsschranken (so bei der
Wissenschafts- und Kunstfreiheit).
Alle Gesetzesvorbehalte stehen unter den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsprinzips.
Eingriffe in die gewährleisteten Freiheiten sind nur zulässig, wenn sie durch ein zwingendes
öffentliches Interesse gerechtfertigt sind. Materielle Gesetzesvorbehalte finden sich noch in den
Art 8-11 EMRK. Danach sind Beschränkungen der gewährleisteten Freiheiten möglich, wenn
der Eingriff gesetzlich vorgesehen ist, er einem bestimmten, jeweils ausdrücklich angeführten
Schutzgut dient (z.B. der Wahrung der öffentlichen Sicherheit, dem Schutz der Gesundheit,
dem Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) und der Eingriff in einer demokratischen
Gesellschaft zur Erreichung dieses Zwecks notwendig ist.
Da und dort gibt es noch weitere Zulässigkeitsbedingungen für einen Grundrechtseingriff: So
bedürfen Hausdurchsuchungen im Regelfall eines begründeten richterlichen Befehls
(„Richtervorbehalt“). Die persönliche Freiheit darf einem Menschen nur zu einem bestimmten in
Art 2 des Gesetzes zum Schutze der persönlichen Freiheit angeführten Zweck entzogen
werden, von Verwaltungsbehörden verhängte Freiheitsstrafen dürfen eine bestimmte Dauer
nicht überschreiten, ein wegen des Verdachts einer Verwaltungsübertretung festgenommener
muss spätestens nach 24 Stunden wieder freigelassen werden.
Der Weg ging vom formellen zum materiellen Gesetzesvorbehalt. Der Glaube an das Gesetz
als Freiheitsgarantie war früher einmal so groß, dass man an es keine bestimmten inhaltlichen
Anforderungen stellte. Später war der Gedanke des öffentlichen Wohls jedem demokratisch
erzeugten Gesetz immanent. Man erkannte aber, dass der Glaube an das bloße Gesetz nicht
mehr aufrecht erhalten werden konnte. Es ging darum, wie Minderheiten inhaltlich vor der
parlamentarischen Mehrheit geschützt werden können.
Der Gleichheitsgrundsatz fungierte immer mehr als Bindung des Gesetzgebers an das
Sachlichkeits- und Verhältnismäßigkeitsgebot. Beide wurden zu "„Schranken-Schranken“. Nach
der Judikatur gibt es zwar keine „preferred rights“-Doktrin, aber dem Gleichheitsgrundsatz
kommt eine die andere Grundrechte übersteigende und eine sie ergänzende Bedeutung zu.
Früher sprach man von der Bedeutungslosigkeit der unter Gesetzesvorbehalt und daher nicht
gesetzesfesten Grundrechte. Die umfassende Bindung des Gesetzgebers wurde von manchen
als die „kopernikanische Wende“ der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes
angesehen.
Eine andere Einteilung ist die in Grundrechte, die nur Staatsbürgern und solchen, die allen
Menschen gewährleistet sind. Staatsbürgerrechte sind das Wahlrecht, das Gleichheitsrecht, im
StGG das Recht der Ämterzugänglichkeit, Aufenthalts- und Wohnsitzfreiheit,
Erwerbsbetätigungs-, Berufswahl-, Berufsausbildungsfreiheit, Liegenschaftserwerbs- und
Verfügungsfreiheit. Durch die EMRK wurden die meisten „Staatsbürgerrechte“ zu
„Menschenrechten“. Die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes hat sich dementsprechend
entwickelt.
Grundrechte sind ihrer Idee nach Rechte von Individuen, „Menschenrechte“, Rechte von
natürlichen Personen. Nach der Judikatur kommt der grundrechtliche Schutz aber auch
juristischen Personen zu, es sei denn, dass es sich um solche Rechte handelt, die ihrem
Wesen nach nur physischen Personen zustehen können. So z.B. die Glaubens- und
Autorin/Autor: Manfried Welan • Titel: Über die Grundrechte und ihre Entwicklung in Österreich
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Gewissensfreiheit. Die wirtschaftlichen Grundrechte wie die Eigentumsfreiheit kommen auch
juristischen Personen zu.
Nach der Struktur der Grundrechte unterscheidet man solche, die dem einzelnen
Rechtsansprüche gewähren, die unmittelbar aufgrund der Verfassung geltend gemacht werden
können und solche, die für die Aktualisierung erst eines Ausführungsgesetzes bedürfen, die
also Programmsätze oder Leitsatznormen sind. Ein solches Grundrecht ist die Vereins- und
Versammlungsfreiheit. Weiters gibt es Normen, die sogenannte Einrichtungsgarantien
enthalten. Durch solche Garantien wie „das Eigentum ist unverletzlich“ werden Einrichtungen
der Rechtsordnung unter besonderen Schutz gestellt.
Ihrem Inhalt nach werden die Grundrechte eingeteilt in Freiheitsrechte (Abwehrrechte),
Gleichheitsrechte, Schutzrechte, die den Staat verpflichten (etwa Gerichtsschutz zu geben),
Mitwirkungsrechte an der staatlichen Willensbildung (Freiheit zum und im Staat, wie z.B. das
Wahlrecht), Rechte auf Staatsleistungen (wie das Recht auf Bildung).
Sie werden auch eingeteilt in existentielle Rechte (Rechte auf Leben, Verbot der Folter und
unmenschlicher und erniedrigender Strafe oder Behandlung, Verbot von Sklaverei und
Leibeigenschaft),
persönliche Freiheitsrechte und Rechte auf Freizügigkeit (persönliche Freiheit, Freizügigkeit,
Aufenthalts- und Wohnsitzfreiheit, Schutz vor Ausweisung und Aus- und Durchlieferung),
Rechte des Privat- und Familienlebens (dazu auch Datenschutz, Achtung des Brief- und
Fernmeldegeheimnisses, Recht auf Achtung der Wohnung),
geistige Rechte (Gedanken- und Gewissensfreiheit, Zivildienstleistung, Glaubens- und
Religionsfreiheit, Rechte gesetzlich anerkannter Kirchen und Religionsgesellschaften),
politische Rechte (Wahlrechte, Meinungs- und Informationsfreiheit, Vereinigungsfreiheit, Recht
auf Gründung und freie Betätigung politischer Parteien, Versammlungsfreiheit, Recht auf
Einbringung von Petitionen, Volksbegehren, Recht auf Teilnahme an einer Volksabstimmung,
Recht auf Teilnahme an einer Volksbefragung, Recht auf Zugang zu öffentlichen Ämtern),
kulturelle Rechte (Recht auf Bildung, Recht der Eltern, die Erziehung und den Unterricht ihrer
Kinder zu bestimmen, Recht auf Gründung von Erziehungs- und Unterrichtsanstalten, auf
Erteilung von Unterricht, auf Verleihung des Öffentlichkeitsrechts, Freiheit der Kunst, Freiheit
der Wissenschaft),
ökonomische Rechte (Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums, Freiheit des
Liegenschaftsverkehrs, Erwerbsfreiheit, Freiheit der Berufswahl, -ausbildung und –ausübung,
Verbot der Zwangs- und Pflichtarbeit),
Rechte ethnischer Minderheiten (Minderheitenrechte, Volksgruppenrechte),
prozessuale Rechte (Recht auf ein faires Verfahren, auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen
Richter, auf eine wirksame Beschwerdemöglichkeit, keine Strafe ohne Gesetz, kein Verbrechen
ohne Gesetz, ne bis in idem, Recht auf Überprüfung einer Ausweisung).
Die Verfahren zum Schutz der Grundrechte bestehen vor österreichischen Behörden,
insbesondere vor dem Verfassungsgerichtshof, vor dem Europäischen Gerichtshof für
Menschenrechte des Europarates, vor dem Gerichtshof und dem Parlament der Europäischen
Union und vor Organen der Vereinten Nationen.
Neben den Grundrechten gibt es auch Grundpflichten. Das sind verfassungsgesetzlich
festgelegte Verhaltenspflichten. Dazu gehören die Wehrpflicht (Art 9a Abs 3 B-VG), die
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Zivildienstpflicht (§ 2 ZivildienstG), die Blutabnahmepflicht (§ 5 Abs 6 StV 1960), Pflicht zur
Lenkerauskunft (§ 103 Abs 2 KraftfahrzeugsG 1967), Hilfeleistungspflichten in
Landesverfassungen.
6. Das Scheitern der Grundrechtsreform
Die a titre personel zusammengesetzte Expertenkommission des Bundeskanzlers Klaus
versuchte eine geschlossene Gesamtkodifikation der Grundrechte zu schaffen. 20 Jahre nach
ihrer Gründung wurden die Ergebnisse von einem Redaktionskomitee zusammengefasst. Die
Diskussion und der Bericht wurden aber nie veröffentlicht. Die Protokolle füllen Bände.
1983 kam es zu einer Änderung des Reformkonzepts. Anstelle einer Gesamtreform wurde eine
„Reform in kleinen Schritten“ angestrebt, mit der eine Reformkommission der Parteien betraut
wurde. Entwürfe betrafen das Recht auf ein faires Verfahren, Schutz von Ehe und Familie,
Recht auf Sozialversicherung und Sozialhilfe, Recht auf Arbeit, Schutz des privaten
Lebensbereiches. Immerhin wurde das BVG zum Schutz der persönlichen Freiheit 1988
beschlossen. Aber auch dieser Prozess des Punktualismus blieb stecken.
Das Scheitern der Grundrechtsreform hat mehrere Gründe:
Die österreichische Politik ist kein Großes und Ganzes. Sie ist insbesondere im Zeitalter der
„Mediokratie“ eine Politik des Konkreten, Punktuellen und Personellen. Insofern war die
Strategie zur Reform in kleinen Schritten konsequent.
Ein großes Bedürfnis nach einem neuen Grundrechtskatalog besteht nicht, da der
Grundrechtsschutz in Österreich gewährleistet ist und gut funktioniert.
Aus der Fülle der Grundrechtsquellen macht der Verfassungsgerichtshof in seiner
Rechtsprechung einen Grundrechtskatalog. Die Zersplitterung schadet also nicht. In der Praxis
kommt es nicht so sehr auf die einzelnen Grundrechtsquellen an, sondern auf das, was der
Verfassungsgerichtshof in seiner Judikatur insgesamt daraus macht.
Durch den Beitritt zur EU und durch die damit verbundenen weiteren Gewährleistungen ist der
Grundrechtsschutz in Österreich erweitert und verstärkt worden.
Im Zeitalter der Ökonomokratie und früher in den Zeiten der Sozialpartnerschaft sind
wirtschaftliche und auch soziale Fragen wichtiger als Fragen der Verfassungspolitik und
Verfassungskultur.
Die Verfassungsrechtsgesinnung spielt in der politischen Auseinandersetzung und in der
politischen Berichterstattung keine große Rolle. Verfassungs- und Grundrechtsrhetorik fehlt den
politischen Akteuren.
Es fehlt die Tradition einer Revolution, die zur Konstitution und zum Grundkonsens geworden
ist.
Schließlich sind aus der Tradition überkommene ideologische Gegensätze noch immer und
wiederum groß. So in Bereichen wie Schutz des ungeborenen Lebens, Schutz von Ehe und
Familie, Recht auf Gesundheit, Recht auf eine gesunde Umwelt u.ä.
Eines der wenigen Grundrechte, das inhaltlich und der Form nach neu vom
Verfassungsgesetzgeber festgelegt wurde, ist die persönliche Freiheit. Das diesbezügliche BVG
vom 29. 11. 1988 hob Art 8 StGG und das Gesetz aus 1862 auf. Die unabhängigen
Verwaltungssenate wurden als Schutzorgan eingeführt.
Nach Art 1 Abs 1 dieses G hat jedermann das Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die
Festnahme- und Anhaltungsgründe werden erschöpfend aufgezählt, die Voraussetzungen für
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freiheitsentziehende Maßnahmen aufgestellt, die Zuständigkeiten und das Verfahren bei
Eingriffen in das Grundrecht geregelt und bei der Festnahme oder Anhaltung eines Menschen
Garantien vorgeschrieben.
Durch das GrundrechtsbeschwerdeG 1992 wurde diesbezüglich ein besonderer Rechtszug zum
OGH eingerichtet, wenn man durch eine strafgerichtliche Erledigung in diesem Grundrecht
verletzt zu sein behauptet. Das liegt insb vor, wenn die Verhängung, Aufrechterhaltung oder
Dauer einer Haft unverhältnismäßig ist, die Voraussetzungen unrichtig beurteilt wurden oder
sonst das Gesetz bei einem Eingriff unrichtig angewendet wurde.
Gegen die Verhängung oder den Vollzug von Freiheitsstrafen oder vorbeugenden Maßnahmen
durch ein Gericht ist diese Grundrechtsbeschwerde aber nicht möglich. Bei Eingriffen durch ein
Exekutivorgan kann Beschwerde an den unabhängigen Verwaltungssenat erhoben werden.
Dagegen kann der VwGH oder VfGH angerufen werden.
Da jährlich über 100.000mal in die persönliche Freiheit eingegriffen wird und die Zahl der in
gerichtlicher Haft befindlichen Menschen im europäischen Vergleich relativ hoch ist, war diese
Neuregelung wichtig.
7. Grundrechte der Mitgliederstaaten und Grundrechte der EU
Zwölf der vierzehn Verfassungen der EU-Staaten enthalten Grundrechtskataloge. Dabei gehen
jene am weitesten, die nach einer Diktatur beschlossen wurden: Italien, Deutschland,
Griechenland, Portugal, Spanien. Andere Verfassungen wie die Belgiens, Luxemburgs,
Schwedens, aber auch die Dänemarks, Frankreichs, der Niederlande enthalten knappe
Aufzählungen und keinen stark ausgebauten Schutz. Die französische Verfassung enthält
keinen Grundrechtskatalog, sondern in ihrer Präambel die Verbundenheit des französischen
Volkes mit den Menschenrechten ..... wie sie in der Erklärung von 1789 festgelegt wurden ..... In
der Rechtsprechung des Verfassungsrats wurden sie zu Bestandteilen der Verfassung.
Nur die österreichische Verfassung enthält keinen Grundrechtskatalog (vgl aber die
Gleichheitsrechte, die Wahlrechte, das Recht auf den gesetzlichen Richter). Aber sie rezipiert in
den Schlussbestimmungen das StGG 1867.
Großbritannien hat alte Freiheitsrechte, die von der Magna Charta von 1215 über die Petition of
Rights (1627), Habeas Corpus-Akte (1679), Bill of Rights (1689) reichen.
Die EMRK wurde im übrigen überall inkorporiert. Sie ist von allen EU-Staten ratifiziert worden.
Damit haben sich alle Mitgliedsstaaten zur Beachtung der in der Konvention enthaltenen
Rechte verpflichtet. Der Europäische Gerichtshof zum Schutz der Menschenrechte ist ihr Hüter.
Die „Charta von Paris“ für ein neues Europa wurde 1990 auf der KSZE-Konferenz unterzeichnet
u.a. von allen EU-Mitgliedsstaaten: Darin sind die Menschenrechte und Grundfreiheiten
aufgeführt, auf die sich die Unterzeichner verpflichteten.
Die Grundrechte-Charta der EU vom 8. Dezember 2000 gilt für die Organe der EU und für die
Mitgliedstaaten bei der Durchführung des EU-Rechts.
Lässt man die Grundrechte der EU-Mitgliedstaaten Revue passieren, so ist festzustellen, dass
die klassischen Freiheitsrechte in allen Verfassungen enthalten sind. Der Schutz der
unantastbaren Würde des Menschen wird in der deutschen, der italienischen, griechischen,
portugiesischen und spanischen Verfassung als höchste Aufgabe des Staates herausgestellt,
ähnlich in der finnischen. Die Todesstrafe ist abgeschafft.
Manche Verfassungen gewährleisten neben der Glaubens-, Gewissens- und Religionsfreiheit
bestimmten Kirchen einen gegenüber anderen besonderen Rang zu. Am meisten geht in dieser
Hinsicht die irische Verfassung. Eine Staatsreligion gibt es nirgends.
Autorin/Autor: Manfried Welan • Titel: Über die Grundrechte und ihre Entwicklung in Österreich
Quelle online: www.demokratiezentrum.org • Quelle Print: Österreich in Geschichte und Literatur, Heft 4-5, 2002
Überall gibt es wirtschaftliche Grundrechte. Für die irische Verfassung gehört „das natürliche,
über allen positiven Gesetzen stehende Recht auf Privateigentum an äußerlichen Gütern“ dem
Menschen „in seiner Eigenschaft als vernunftbegabtes Wesen“ untrennbar hinzu. Dort ist im
Gegensatz zu den anderen Staaten eine Enteignung nicht vorgesehen, sondern nur eine
Beschränkung in der Ausübung des Eigentumsrechts, um es mit den Erfordernissen des
Allgemeinwohls in Einklang zu bringen.
Überall haben die Grundrechte die Funktion von Abwehrrechten, sie werden insbesondere aber
auch als inhaltliche Richtschnur und Maßstäbe staatlichen Handelns, also als ständiger input für
die Gesetzgebung verstanden. Sie sollen die Freiheit und Offenheit des demokratischen
Prozesses gewährleisten und steuern.
Bei der Ausgestaltung der politischen Grundrechte haben die Verfassungen ein besonders
großes Maß an Einheitlichkeit. Überall sind die Voraussetzungen der politischen Rechte wie
Meinungs- und Pressefreiheit, Zensurverbot und Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit
genannt. In manchen Verfassungen sind die Gewerkschaften und das Streikrecht besonders
hervorgehoben.
Wie für alle Rechte ist auch für die Grundrechte die Durchsetzung wesentlich. Hüter der
Grundrechte sind meist Verfassungsgerichte. Diesbezüglich sind vor allem Deutschland, Italien,
Spanien, Österreich, aber auch Griechenland und Portugal zu nennen.
Einige Verfassungen räumen den Bürgern ein Widerstandsrecht gegen jeden ein, der die
Verfassung beseitigen will (Deutschland, Griechenland, Portugal).
Soziale Grundrechte als Bestimmungen, die den Staat zu sozialem Handeln verpflichten, und
als Staatsziel anzusehen sind, finden sich in Italien, Portugal, Spanien. Aber auch Luxemburg,
Dänemark, die Niederlande kennen das Recht auf Arbeit und den Anspruch der Bedürftigen auf
öffentliche Unterstützung sowie den Schutz der Gesundheit. Kataloge von politischen,
wirtschaftlichen und sozialen Grundsätzen, die für unsere Zeit besonders nötig sind, finden sich
in der Präambel zur französischen Verfassung 1946, von Rechten und Pflichten im Bereich der
„ethisch-sozialen“ und „wirtschaftlichen Beziehungen“ in der italienischen, von „wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Rechten und Pflichten“ in der portugisieschen, Leitsätze der Sozial- und
Wirtschaftspolitik“ in der spanischen, wobei am meisten das Recht auf Arbeit verbreitet ist.
Ausnahmen sind hier nur die österreichische und die deutsche Verfassung.
Manche sehen diese Normen als allgemeine Richtschnur und Maßstab der Politik und des
Parlaments an, manche sehen darin symbolisches Recht, manche Leerformeln und
liebenswürdige Rhetorik.
Während die soziale Frage vor allem durch die Demokratie auf gesetzgeberischem Weg in
vieler Hinsicht gelöst wurde, ist die ökologische Frage offen. Erst bei der letzten Welle der
Verfassungsgebung in Europa wurde sie als Problem erkannt. Daher wurde Umweltschutz in
die damals und später entstandenen Verfassungen aufgenommen. So ist der Umweltschutz in
unterschiedlicher Verpflichtung in acht Verfassungen enthalten. Aber die EU-Mitgliedsstaaten
sind keineswegs so Umweltstaaten oder gar Naturstaaten, wie sie etwa Rechtsstaaten oder
Sozialstaaten sind.
Da in allen Verfassungen die Grundrechte des Privateigentums, der Erwerbs- und Berufsfreiheit
gewährleistet sind, ist damit die Verkehrs- oder Marktwirtschaft gewährleistet, ohne dass dies
ausdrücklich gesagt wird. Durch Systeme der sozialen Sicherheit und die
Eigentumsbeschränkungen im besonderen ist aber in der EU die soziale Marktwirtschaft und
nicht die Marktwirtschaft ohne Adjektiv verwirklicht.
Autorin/Autor: Manfried Welan • Titel: Über die Grundrechte und ihre Entwicklung in Österreich
Quelle online: www.demokratiezentrum.org • Quelle Print: Österreich in Geschichte und Literatur, Heft 4-5, 2002
In allen Mitgliedsstaaten der EU gilt die EMRK. Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg
entwickelte schon früh eine Rechtsprechung, die diesem Standard der Grundrechte zugrunde
legte. Damit war die EMRK mit den vier Freiheiten (Freiheit des Waren-, Personen-,
Dienstleistungs- und Kapitalverkehrs) und dem Diskriminierungsverbot des Art 12 des EG-
Vertrags eine Rechtsprechungsgrundlage. Schon mit den Verträgen von Maastricht und
Amsterdam wurde im Art 6 des EU-Vertrags festgelegt, dass die Union auf den Grundsätzen
der Freiheit der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie der
Rechtsstaatlichkeit beruht, wie sie in allen Mitgliedsstaaten gelten. Im Art 6 ist auch das
Bekenntnis zur Achtung der Grundrechte der EMRK und wie sie sich aus den gemeinsamen
Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedsstaaten als allgemeine Grundsätze des
Gemeinschaftsrechts ergeben, enthalten.
Schließlich wurde im Dezember 2000 in Nizza die Charta der Grundrechte der Europäischen
Union vom Europäischen Parlament, vom Rat und von der Kommission proklamiert. Der Text
entspricht dem vom sogenannten Konvent angenommenen Entwurf vom 11. 10. 2000.
Die „Charta der Grundrechte der Europäischen Union“ vom 8. Dezember 2000 enthält eine
Präambel, 7 Kapitel und 54 Artikel. Jene spricht u.a. davon, auf der Grundlage gemeinsamer
Werte eine friedliche Zukunft zu teilen, indem sich die Völker Europas zu einer immer engeren
Union verbinden.
In dem Bewusstsein ihres geistig-religiösen und sittlichen Erbes gründet sich die Union auf die
unteilbaren und universellen Werte der Würde des Menschen, der Freiheit, der Gleichheit und
der Solidarität. Sie beruht auf den Grundsätzen der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit. Sie
stellt die Person in den Mittelpunkt ihres Handelns, indem sie die Unionsbürgerschaft und einen
Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts begründet.
Die Union trägt zur Erhaltung und zur Entwicklung dieser gemeinsamen Werte unter Achtung
der Vielfalt der Kulturen und Traditionen der Völker Europas sowie der nationalen Identität der
Mitgliedsstaaten und der Organisation ihrer staatlichen Gewalt auf nationaler, regionaler und
lokaler Ebene bei. Sie ist bestrebt, eine ausgewogene und nachhaltige Entwicklung zu fördern
und stellt den freien Personen-, Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr sowie die
Niederlassungsfreiheit sicher.
......
Die Ausübung dieser Rechte ist mit Verantwortlichkeiten und Pflichten sowohl gegenüber den
Mitmenschen als auch gegenüber der menschlichen Gemeinschaft und den künftigen
Generationen verbunden.
Daher erkennt die Union die nachstehend angeführten Rechte, Freiheiten und Grundsätze an.
Kapitel I. „Würde des Menschen“ legt in dem so überschriebenen Artikel 1 fest: „Die Würde des
Menschen ist unantastbar. Sie ist zu achten und zu schützen.“
Darauf folgt das Recht auf Leben (Art 2), das Recht auf Unversehrtheit (Art 3). Dabei sind im
Rahmen der Medizin und der Biologie insb zu beachten: die freie Einwilligung der betroffenen
Person nach vorheriger Aufklärung entsprechend den gesetzlich festgelegten Modalitäten, das
Verbot eugenischer Praktiken, insbesondere derjenigen, welche die Selektion von Personen
zum Ziel haben, das Verbot den menschlichen Körper und Teile davon zur Erzielung von
Gewinnen zu nutzen, das Verbot des reproduktiven Klonens von Menschen.
Art 4 enthält das Verbot der Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder
Behandlung, Art 5 das Verbot der Sklaverei und der Zwangsarbeit.
Im Kapitel II „Freiheiten“ sind das Recht auf Freiheit und Sicherheit (Art 6), die Achtung des
Privat- und Familienlebens (Art 7), der Schutz personenbezogener Daten (Art 8), das Recht
Autorin/Autor: Manfried Welan • Titel: Über die Grundrechte und ihre Entwicklung in Österreich
Quelle online: www.demokratiezentrum.org • Quelle Print: Österreich in Geschichte und Literatur, Heft 4-5, 2002
eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen (Art 9), die Gedanken-, Gewissens- und
Religionsfreiheit (Art 10), die Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit (Art 11),
die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit (Art 12), die Freiheit von Kunst- und Wissenschaft
(Art 13), das Recht auf Bildung (Art 14), die Berufsfreiheit und das Recht zu arbeiten (Art 15),
die unternehmerische Freiheit (Art 16), das Eigentumsrecht (Art 17), das Asylrecht (Art 18) und
der Schutz bei Abschiebung, Ausweisung und Auslieferung (Art 19) festgelegt.
Art 17 lautet:
„Jede Person hat das Recht, ihr rechtmäßig erworbenes Eigentum zu besitzen, zu nutzen,
darüber zu verfügen und es zu vererben. Niemandem darf sein Eigentum entzogen werden, es
sei denn aus Gründen des öffentlichen Interesses in den Fällen und unter den Bedingungen,
die in einem Gesetz vorgesehen sind sowie gegen eine rechtzeitige angemessene
Entschädigung für den Verlust des Eigentums. Die Nutzung des Eigentums kann gesetzlich
geregelt werden, soweit dies für das Wohl der Allgemeinheit erforderlich ist. Geistiges Eigentum
wird geschützt.“
Das Kapitel III. „Gleichheit“ enthält die Gleichheit aller Personen vor dem Gesetz (Art 20),
Nichtdiskriminierung (Art 21), Vielfalt der Kulturen, Religionen und Sprachen (Art 22), Gleichheit
von Männern und Frauen (Art 23), Rechte des Kindes (Art 24), Rechte älterer Menschen (Art
25), Integration von Menschen mit Behinderung (Art 26).
Kapitel IV. „Solidarität“ regelt das Recht auf Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer im Unternehmen (Art 27), Recht auf Kollektivverhandlungen und
Kollektivmaßnahmen (Art 28), Recht auf Zugang zu einem Arbeitsvermittlungsdienst (Art 29),
Schutz bei ungerechtfertigter Entlassung (Art 30), gerechte und angemessene
Arbeitsbedingungen (Art 31), Verbot der Kinderarbeit und Schutz der Jugendlichen am
Arbeitsplatz (Art 32), Familien- und Berufsleben (Art 33), soziale Sicherheit und soziale
Unterstützung (Art 34), Gesundheitsschutz (Art 35), Zugang zu Dienstleistungen von
allgemeinem wirtschaftlichen Interesse (Art 36), Umweltschutz (Art 37), Verbraucherschutz (Art
38).
Kapitel V: „Bürgerrechte“ garantiert aktives und passives Wahlrecht bei den Wahlen zum
Europäischen Parlament (Art 39), aktives und passives Wahlrecht bei den Kommunalwahlen
(Art 40), das Recht auf eine gute Verwaltung (Art 41), das Recht auf Zugang zu Dokumenten
(Art 42), den Bürgerbeauftragten (Art 43), Petitionsrecht (Art 44), Freizügigkeit und
Aufenthaltsfreiheit (Art 45), diplomatischen und konsularischen Schutz im Drittland (Art 46).
Kapitel VI. „Justitielle Rechte“ regelt das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein
unparteiisches Gericht (Art 47), Unschuldsvermutung und Verteidigungsrechte (Art 48),
Grundsätze der Gesetzmäßigkeit und der Verhältnismäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten
und Strafen (Art 49), das Recht wegen derselben Straftat nicht zweimal strafrechtlich verfolgt
oder bestraft zu werden (Art 50).
Das Kapitel VII. „Allgemeine Bestimmungen“ regelt den Anwendungsbereich, die Tragweite der
garantierten Rechte, das Schutzniveau, den Verbot des Missbrauchs der Rechte (Art 51, 52,
53, 54).
„Diese Charta gilt für die Organe und Einrichtungen der Union unter Einhaltung des
Subsidiaritätsprinzips und für die Mitgliedsstaaten ausschließlich bei der Durchführung des
Rechts der Union. Dementsprechend achten sie die Rechte, halten sie sich an die Grundsätze
und Fördern sie deren Anwendung gemäß ihren jeweiligen Zuständigkeiten. Dieses Charta
begründet weder neue Zuständigkeiten noch neue Aufgaben für die Gemeinschaft und für die
Union noch ändert sie die in den Verträgen festgelegten Zuständigkeiten und Aufgaben.
https://www.demokratiezentrum.org/
--- Ende Zitat ---
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